Drei Fragen an Dr. Carl-Philipp Jansen

Der gerontologisch orientierte Sportwissenschaftler Dr. Carl-Philipp Jansen wurde für seine Dissertation "Institutionelle Grenzen erweitern – der ‚Life-Space’ von Bewohnern in der stationären Altenpflege und dessen Modifikation mittels eines Trainingsprogramms zur Steigerung der körperlichen Aktivität" mit dem 10.000 Euro dotierten Cäcilia-Schwarz-Förderpreis für Innovation in der Altenhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. ausgezeichnet. Im Interview erläutert er, wie man auch im hohen Alter "in Bewegung" bleibt.

dv aktuell: Herr Dr. Jansen, in Ihrer Doktorarbeit haben Sie nachgewiesen, dass eine Steigerung von psychosozialem Wohlbefinden und motorisch-funktioneller Leistungsfähigkeit durch praxisorientierte Aktivitäts- und Bewegungsförderung erzielt werden kann. Welche Erkenntnis aus Ihrer Arbeit hat Sie selbst am meisten überrascht?

Dr. Carl-Philipp Jansen: Obwohl es hypothetisch ja Sinn ergab, hat es mich dennoch überrascht, dass die Bewohner tatsächlich ihr Bewegungsverhalten veränderten. Insbesondere mit Blick auf das Setting „Pflegeheim“ war ich skeptisch, ob wir eine solche Veränderung herbeiführen können. Um Verhalten zu verändern, reicht ja eine reine Verbesserung der körperlichen Funktion nicht aus, d. h. wir mussten die Bewohner auf mehreren Ebenen erreichen. Ich bin sehr froh, dass uns das gelungen ist.

dv aktuell: Ihr Leitgedanke und Idee war, das ganze Heim, also Leitungsebene, Pflege und soziale Betreuung und natürlich die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Angehörigen mit einzubeziehen und „in Bewegung“ zu versetzen. Warum müssen alle mitmachen und wie schwer ist es tatsächlich, alle Beteiligten "in Bewegung" zu bringen?

Dr. Carl-Philipp Jansen: Die Bewohner sind mit einer Vielzahl an Menschen in Kontakt, die großen Einfluss auf deren Leben nehmen. Wenn man also die Bewohner erreichen und, wie in unserem Falle, aktivieren möchte, muss man auch deren Umwelt inkl. der Personen einbeziehen, sonst wird man keinen Erfolg haben. Was deren betreuende und pflegende Personen sagen, hat bei den Bewohnern großen Einfluss, d. h. es bedarf deren Unterstützung. Alle müssen sehen, dass man etwas Positives erreichen möchte, ohne dass man das zuvor Gewesene als negativ abstempelt. Das Vertrauen aller Ebenen im Heim zu gewinnen, erfordert da eine differenzierte Herangehensweise. Die Leitungsebene interessiert sich natürlich für den wissenschaftlichen Sinn und den potenziellen Nutzen für das Heim. Die soziale Betreuung erhofft sich neue Impulse für deren Arbeit. Die Pflege will wissen, was die Bewohner davon haben, und fürchtet berechtigterweise, dass deren funktionierender Alltag durcheinandergewirbelt wird. Wir konnten glücklicherweise alle Zweifel auf allen Ebenen in unserem Projekt ausräumen und ein "Wir-Gefühl" mit allen Beteiligten entwickeln.

dv aktuell: Gibt es Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Ihr Programm erfolgreich durchgeführt werden kann, und welche Effekte können erzielt werden?

Dr. Carl-Philipp Jansen:Man muss motiviertes Personal haben, das sich nicht scheut, die Übungen mit den Bewohnern durchzuführen. Es erfordert einen sicheren Umgang mit den Leuten und das Hintergrundwissen, wie man solcherlei Übungen sicher und effizient durchführen kann. Dies ist aber gut zu bewältigen, unser Handbuch gibt hier zahlreiche Tipps. Man kann mit dem Programm in jedem Fall die motorische Funktion der Bewohner verbessern, d. h. dass diese sicherer und weiter gehen können, dass sie besser aufstehen können und insgesamt mobiler werden. Ob eine umfangreichere räumliche Nutzung des Lebensraums Pflegeheim daraus hervorgeht und ob die Bewohner weniger depressive Symptome zeigen, wie es bei uns der Fall war, hängt sicherlich auch von der Art und Weise der Vermittlung ab – und davon, ob auch alle auf diese Ziele hin zusammenarbeiten.

dv aktuell: Vielen Dank für das Gespräch.

Foto von Dr. Carl-Philipp Jansen, © Holger GroßDr. Carl-Philipp Jansen ist der diesjährige Preisträger des Cäcilia-Schwarz-Förderpreis für Innovation in der Altenhilfe des Deutschen Vereins.

Weitere Preisträgerinnen, das Kuratorium und Informationen zum Preis

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