FF 3.10 Ausländerrecht trifft Jugendhilfe – Jugendhilfe trifft Ausländerrecht

Zusammenfassung

Bei der Fachveranstaltung "Ausländerrecht trifft Jugendhilfe“ ging es um die rechtlichen Besonderheiten und Fallstricke, die auf Mitarbeitende der Jugendhilfe in der Zusammenarbeit mit Menschen mit unterschiedlichen Aufenthaltstiteln bzw. in Deutschland geduldeten Personen nach § 60a AufenthG zukommen können.
Frank Hartwig gab zu bedenken, dass sich der Fokus der Jugendhilfe – das Kindeswohl – von dem Fokus der Ausländerbehörde unterscheidet, da Letztere das Verwaltungsrecht als Priorität setzen. Somit kann es in der praktischen Arbeit zu unterschiedlichen Ansätzen im Umgang mit den Klient/innen kommen.
Der Referent wies auf die je nach Aufenthaltsstatus komplexen Fallkonstellationen hin, an denen außerdem häufig viele öffentliche Stellen beteiligt sind. Seine Thesen zum Gelingen dieser komplizierten Fälle sind, dass langfristig Kooperationen mit anderen Fachstellen und öffentlichen Ämtern aufgebaut, Beratungsstellen mit spezifischer Expertise hinzugezogen und Arbeitsgruppen in der Jugendhilfe gegründet werden, die sich inhaltlich mit verschiedenen Konstellationen befassen und mit einer übersichtlichen Dokumentation diese für andere Fachkräfte leicht zugänglich machen.
Prof. Marion Hundt erläuterte die verschiedenen rechtlichen Gegebenheiten für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, je nachdem aus welchem Land die Menschen kommen und zu welchem Zweck sie sich in Deutschland aufhalten. In der Praxis hat sich seit einigen Jahren der Begriff Migrationsrecht durchgesetzt, um die verschiedenen Rechtsgebiete (Aufenthaltsgesetz, Asylgesetz, Freizügigkeitsgesetz/EU, Staatsangehörigkeitsgesetz) unter einem Dach zu subsumieren. Es sei wichtig für Praktiker/innen, über die verschiedenen Rechtsgebiete und die damit einhergehenden Privilegien Bescheid zu wissen, um in der Praxis prüfen zu können, an welcher Stelle eine Familie migrationsrechtlich steht und ob diese in eine bessere Statusgruppe umgewandelt werden könnte. Menschen mit einer Duldung nach § 60a AufenthG haben keinen Aufenthaltstitel in Deutschland und können abgeschoben werden, sobald die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung aufgehoben wird. Verlassen Menschen mit einer Duldung die BRD, können sie rechtlich nicht wieder einreisen. Daher ist bei Umgangskontakten im Ausland immer auf den Aufenthaltsstatus der Kinder zu achten.
In der Praxis sind Kinderschutzfälle nicht immer geregelt. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen einer Inobhutnahme auf der einen und einer Durchsetzung der Abschiebung auf der anderen Seite: Kinder, die sich durch eine Inobhutnahme in einer Einrichtung befinden, können beim Wegfall der Abschiebungshinderungsgründe trotzdem gemeinsam mit den Eltern abgeschoben werden. In diesen Fällen besteht meist keine Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern und den Ausländerbehörden.
Mit der großen Anzahl ukrainischer Geflüchteter seit Februar 2022 beschloss der Rat der EU erstmalig, die sogenannte Massenstromrichtlinie zu aktivieren. Ukrainische Geflüchtete sind deshalb und wegen besserer Sozialleistungen (über das SGB II/XII statt über das AsylBLG) anderen Geflüchteten gegenüber privilegiert.

Mitwirkende

Moderation

  • Dr. Sebastian Sedlmayr, Leiter Abteilung Advocacy und Politik, Deutsches Komitee für UNICEF, Köln


Vortrag/Diskussion

  • Frank Hartwig, Netzwerkkoordinator Frühe Hilfen und Kinderschutz, Landkreis Oberhavel
  • Prof. Dr. Marion Hundt, Professur für öffentliches Recht, Evangelische Hochschule Berlin

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