Fachforum 1.3: Forum Betreuungsrecht: Rechtliche Betreuung – ein anspruchsvolles Ehrenamt. Betreuungsvereine machen stark – Betreuen im Tandem?

Zusammenfassung

Das diesjährige Forum Betreuungsrecht wurde in Kooperation mit dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen konzipiert und veranstaltet. Moderator war Peter Winterstein, pensionierter Vizepräsident des Oberlandesgerichts Rostock sowie Vorsitzender des Betreuungsgerichtstages (BGT e.V.). Als einer der Mitbegründer des BGT begleitet er die Entwicklungen im Betreuungsrecht schon seit vielen Jahren intensiv.
Aus verschiedenen Perspektiven wurden die Bedürfnisse ehrenamtlicher rechtlicher Betreuerinnen und Betreuer beleuchtet. Zentral ging es um die Frage, ob das Ehrenamt durch die im Januar 2023 in Kraft tretende Betreuungsrechtsreform tatsächlich eine Stärkung erfahren wird und ob es darüber hinaus noch weiterer Förderung und Unterstützung bedarf.
Dr. Andreas Christians, Abteilungsleiter im Justizministerium Nordrhein-Westfalen, betonte die Wichtigkeit, am Leitbild der Ehrenamtlichkeit in der rechtlichen Betreuung festzuhalten. Er äußerte mit Blick auf stark rückgängige Zahlen bei Neubestellungen die Sorge, dass das Ehrenamt aus dem Blick gerate, und riet zu einer Stärkung der Strukturen. Er stellte das bereits in der Vergangenheit mit Erfolg in Hessen erprobte und dort wissenschaftlich begleitete Konzept der "Tandem-Betreuung“ vor: Ehrenamtliche werden in entsprechend sachgerechten Fällen ein Jahr lang von einem Betreuungsverein im "Tandem“ bei der Betreuungsführung begleitet, um Sicherheit und Selbständigkeit bei der Ausübung ihres Ehrenamtes zu erlangen.
Barbara Dannhäuser vom Bundesverband DCV, SkF, SKM bestätigte die Notwendigkeit der Unterstützung gerade Angehöriger, die den überwiegenden Teil ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer ausmachten. Tandem-Betreuungen könnten sehr positiv und stärkend wirken, müssten allerdings ausreichend finanziert werden. Nur bei auskömmlicher Finanzierung könne diese zusätzliche Aufgabe von den Vereinen bewältigt werden.
Frauke Brinkmann, Teamleiterin für Betreuungsangelegenheiten in der Region Hannover, gab zu bedenken, dass Betreuungsvereine und -behörden bereits aufgrund der neuen Vereinbarungen, die mit Fremdbetreuerinnen und -betreuern zu schließen sind, an Kapazitätsgrenzen stießen. Neben der Frage nach Möglichkeiten der Finanzierung sei zu klären, wie die Auswahl sachgerechter Fälle für das Tandem-Modell erfolgen solle. Bei Zahlen von ca. 3.000 Angehörigenbetreuerinnen und -betreuern jährlich allein in der Region Hannover könne nicht jedem ein/e Vereinsbetreuer/in im Tandem zur Seite gestellt werden.
Wolfgang Fuchs, Geschäftsführer des Betreuungs- und Fördervereins im Kreis Borken, berichtete aus der Praxis über dort erkennbare Bedürfnisse ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer: Vorrangig benötigten diese Ansprechpartner, die zeitnah und zuverlässig bei Gerichten, Behörden etc. zur Verfügung stehen. Bereits die tägliche Sprechstunde, die der Betreuungsverein anbiete, werde äußerst rege angenommen.
Aus dem Publikum zitiert: "Wichtig wäre eine Stelle, an die man sich einfach wenden kann und die Antworten gibt und einen nicht nur weiterverweist.“
Fazit der Beiträge:
•Die Ursprungsverantwortung für die Stärkung des Ehrenamtes liegt bei der Kommune.
•Die Organisation der Beratung ist mit modernen Möglichkeiten umzusetzen (zentrale (bundesweite) Hotline mit Vermittlung in örtliche Strukturen).
•Dringend sind in allen Landesausführungsgesetzen örtliche AGs unter Beteiligung aller betreuungsrechtlichen Akteure verpflichtend einzuführen.
•Das Tandem-Modell bietet gute Chancen für bestimmte Fallkonstellationen, sofern eine angemessene Finanzierung gewährleistet ist.
•Entscheidend sind zuverlässige und zeitnah erreichbare Ansprechpartner für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer.
•Die Justiz ist gesetzlich zur Information verpflichtet. Diese Verpflichtung ist in einer Weise umzusetzen, dass ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer dort verlässliche Ansprechpartner vorfinden.

Kurz zitiert:
"Entscheidend ist ein Rechtsanspruch der Betreuungsvereine auf Finanzierung.“
Dr. Andreas Christians
"Ein Rechtsanspruch auf bedarfsgerechte Finanzierung. Schließlich sind Betreuungsvereine Vertreter der Zivilgesellschaft!“
Barbara Dannhäuser
"Die Betreuungsbehörde kann nicht alles lösen.“
Frauke Brinkmann
"Betreuungsvereine sind der Ort, wo Profis und Ehrenamtler zusammenkommen.“
Wolfgang Fuchs

Mitwirkende

Moderation

  • Peter Winterstein, Pensionierter Vizepräsident des Oberlandesgerichts Rostock und Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags e.V.


Vortrag/Diskussion

  • Frauke Brinkmann, Teamleitung Betreuungsangelegenheiten in der Region Hannover
  • Dr. Andreas Christians, Abteilungsleiter im Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
  • Barbara Dannhäuser, Arbeitsstelle Rechtliche Betreuung DCV, SkF, SKM im Katholischen Verband für soziale Dienste in Deutschland Bundesverband e. V., Düsseldorf
  • Wolfgang Fuchs, Geschäftsführer im Betreuungs- und Förderverein im Kreis Borken e.V.

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