FF 3.3 Die Reform des SGB VIII – der Weg ist das Ziel. Wie kann die Umsetzung der Etablierung von Verfahrenslots/innen gelingen?

Zusammenfassung

Die zweite Stufe der SGB-VIII-Reform wird ab dem 01.01.2024 mit der Etablierung der Verfahrenslots/innen umgesetzt werden. Noch in dieser Legislatur soll ein Bundesgesetz zur Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Eingliederungshilfe unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe verabschiedet werden und zum 01.01.2028 inkrafttreten. Der Einsatz der Lots/innen wurde durch den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung (2021 bis 2025) entfristet. Daraus folgt, dass die Richtung/Perspektive der Verfahrenslots/innen erweitert und andere Schnittstellen wie z.B. Gesundheit und Pflege in den Blick genommen werden müssen, wenn der Lotse dauerhaft bleiben wird. Der Lotse hat einerseits eine Unterstützungsfunktion zugunsten der Leistungsberechtigten (§ 10b Abs. 1 SGB VIII). Der Verfahrenslotse unterstützt und begleitet bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung von Eingliederungshilfeleistungen. Er wirkt auf die Inanspruchnahme von Rechten hin. Dabei soll er unabhängig sein und fachlich nicht weisungsgebunden (ähnlich wie ein Vormund).
Andererseits soll er alle sechs Monate über die Zusammenarbeit der Sozialleistungs- und Rehabilitationsträger sowie den Prozess hin zur inklusiven Lösung gegenüber dem Jugendhilfeausschuss berichten. Er leistet Vernetzungsarbeit u.a. von der Schule bis zur Eingliederungshilfe. Der Paragraf 10b ist als Rechtsanspruch ausgestaltet. Die Zuständigkeit für den Verfahrenslotsen liegt beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Verfahrenslotse muss nicht nur Wissen über materielles Recht und das Verfahrensrecht u.a. im SGB IX haben, sondern in der Lage sein, die Leistungsberechtigten zu "empowern“ und Schwellenängste abzubauen. Betrachtet man mögliche Professionen, kommen u.a. Sozialpädagog/innen, Heilpädagog/innen und Sozialwissenschaftler/innen in Betracht. Mögliche Faktoren zur Personalbemessung könnten sein: Welche Netzwerkstrukturen sind vorhanden oder müssen ggf. aufgebaut werden? Welche Beratungsstrukturen gibt es vor Ort? Wie sind die Verfahrenslots/innen qualifiziert? Wie ist die Selbsthilfe vor Ort organisiert? In der anschließenden Diskussion wurde festgehalten, dass die Verfahrenslots/innen hohe Fachkenntnisse haben müssen und hohe Ansprüche seitens des Gesetzgebers gegenüber der Tätigkeit der Lots/innen bestehen. Aus dem Plenum wurde die Frage gestellt, woher man die entsprechenden Fachkräfte mit solch einem Wissen nehmen sollte. Es bleibt die Frage offen, ob die Verfahrenslots/innen eingesetzt werden müssen, wenn z.B. Kommunen bereits die Gesamtzuständigkeit umgesetzt haben. Darüber hinaus wurden aber auch die positiven Aspekte der neuen Funktion anerkannt, welche gerade für Jugendämter, die noch nicht so weit sind, eine große Chance für die Entwicklung hin zur Gesamtzuständigkeit bedeuten können.

Mitwirkende

Impuls

  • Dr. Heike Schmid-Obkirchner, Leiterin des Referates Rechtsfragen der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin


Moderation

  • Heike Schmidt, Dezernat Soziales und Gesundheit Landratsamt Nordsachsen, Torgau


Vortrag/Diskussion

  • Gesa Borek, Leiterin Beratungsstelle ASBH Hamburg e.V.
  • Christoph Grünenwald, Leiter des Grundsatzreferats des Landesjugendamts des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg
  • Dr. Ulrike Kleinknecht-Strähle, Dezernatsleiterin Soziales, Landratsamt Emmendingen
  • Jost Manderbach, Leiter der Clearing- und Diagnostikstelle Ambulante Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche, Jugendamt, Bochum

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