Symposium 1: Föderaler Sozialstaat – Brauchen wir eine neue Balance der Verantwortung?

Grafik: Schriftzug Symposiumtitel und Waage auf einer Tischplatte

Zusammenfassung

In Deutschland werden die Lebensverhältnisse seit Jahren regional unterschiedlicher. Ursächlich sind große Trends wie demografischer Wandel (Alterung sowie Zu- und Abwanderung, verbunden mit Fachkräftemangel) und unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung (in Wachstum, Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit). Wachsende Regionen treten neben stagnierende Regionen, auch kleinräumig. Dies führt zu ungleichen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und fiskalischen Chancen. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Corona-Pandemie die Prozesse beschleunigt hat. Fatal ist dies insbesondere in Teilräumen, in denen negative Abweichungen in mehreren Bereichen regionaler Lebensverhältnisse kumulieren. Hier drohen Gefahren einer Abwärtsspirale, in der sich ungünstige Verhältnisse gegenseitig verstärken.

Im föderalen Sozialstaat schlägt sich die Entwicklung in dem Dilemma nieder, dass die Aufgaben oft dort am größten sind, wo die infrastrukturellen und fiskalischen Ressourcen für ihre Bearbeitung am geringsten sind. Da Sozialpolitik vor Ort in den Kommunen umgesetzt und von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird, kann dies zu Überforderungen führen und dazu, dass Menschen ein distanziertes oder gar negatives Verhältnis zum Sozialstaat entwickeln.

Bei der Lösung der Aufgaben dürfen die Kommunen nicht allein gelassen werden. Bei der Wahrnehmung von Aufgaben und ihrer Finanzierung braucht es vielmehr eine zielgenauere verbindlichere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Schwierig sind Einigungen insbesondere dann zu erzielen, wenn Ungleichheiten in den Belastungen und Ressourcen auf der gleichen Ebene angesiedelt sind, also zwischen „reicheren“ und „ärmeren“ Bundesländern oder zwischen Kommunen. Dann wird es notwendig, über den eigenen Schatten zu springen. Gefordert sind Lösungen, die einerseits reale Unterschiede in der Leistungsfähigkeit abbilden, andererseits aber auch nicht die strukturellen Bedingungen ungleicher Leistungskraft verfestigen. Solidarität soll erhalten werden, indem Leistungskraft und Eigenverantwortlichkeit im Ausgleich gestärkt werden.

Die Finanzverteilung soll sich an objektiven Bedarfen orientieren, die sich aus den Aufgaben der Ebenen ergeben. Zentrale Regelsetzungen durch den Bund erfordern eine aufgabenangemessene Finanzausstattung und funktionsfähige Konnexitätsregeln. Bei reinen Auszahlungen/Transfers mit geringen Steuerungspotenzial sollte ein Primat der Bundesfinanzierung gelten. Die Erfüllung freiwilliger Aufgaben muss den Kommunen möglich bleiben.

Mitwirkende

Impuls

  • Prof. Dr. Martin Junkernheinrich, Lehrstuhl für Stadt- Regional und Umweltökonomie an der Technischen Universität Kaiserslautern


Moderation

  • Werner Hesse, Geschäftsführer im Paritätischen Gesamtverband e. V. und Vizepräsident des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin


Vortrag/Diskussion

  • Pit Clausen, Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld und Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages
  • Leonie Gebers, Beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
  • Anne Janz, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, Wiesbaden
  • Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. und Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege e. V., Berlin

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