FF 2.6 Sozialstaaten stärken – die Strategie der Europäischen Union

Zusammenfassung

Die Europäische Union will angesichts von ökologischem, digitalem und demografischem Wandel ein starkes soziales Europa verfolgen, das einen gerechten Übergang in die Gesellschaft der Zukunft ermöglicht. Durch die "Europäische Säule sozialer Rechte“ sollen die Gesellschaften und Sozialsysteme der Mitgliedstaaten sich stärker annähern – auf hohem Niveau.
Die EU setzt auf inklusive Arbeitsmärkte und moderne Sozialpolitik. Europäische Fördermittel werden zur Unterstützung dieser Ziele eingesetzt. Das Fachforum informiert über aktuelle Entwicklungen und Trends in der EU. Was braucht es künftig an europäischer Koordinierung und Integration, um den sozialen Zusammenhalt zu sichern? Welche europäischen Impulse kann Deutschland aufnehmen, um seine Sozialpolitik zu modernisieren und die soziale Lage vor Ort zu verbessern?

Dimtcho Tourdanov präsentierte die drei Wirkungsbereiche der Europäischen Union zur Stärkung der Mitgliedstaaten im Bereich Soziales: EU-Gesetzgebung, EU-Fonds und politische Koordination sollten zusammenwirken, um die soziale Situation der Menschen zu verbessern. Dabei diene die "Europäische Säule sozialer Rechte“ (ESSR) als Leitlinie. Der Aktionsplan zu ihrer Umsetzung sehe für 2022 insb. eine Initiative zur Stärkung der Mindesteinkommenssysteme und eine Strategie zur Stärkung von Pflege und (Kinder-)Betreuung vor. Für die zukünftige Stärkung der Sozialschutzsysteme und Wohlfahrtsstaaten sei eine "Hochrangige Gruppe“ eingesetzt worden, die Trends wie Digitalisierung und Dekarbonisierung der Gesellschaften aufgreife.

Tanja Struve stellte die Positionen des Deutschen Landkreistages und die Aktivitäten im Austausch mit europäischen Kommunen und mit den EU-Institutionen vor. Zu beachten seien die Einhaltung des Kompetenzgefüges der EU und die Traditionen und Besonderheiten der Mitgliedstaaten – innerhalb dieses Rahmens fordere man von der EU jedoch engagierte Politik zur Stärkung der sozialen Konvergenz ein und begrüße insoweit die ESSR. Zur Stärkung der Mindesteinkommenssysteme sei eine Ratsempfehlung das richtige Instrument.

Holger Winkler zeigte sich erfreut, dass die Kommission im Aktionsplan zur ESSR viele Anregungen und Vorarbeiten der Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 aufgegriffen habe, z.B. die angekündigte Initiative zu den Mindesteinkommenssystemen oder die vorgeschlagene Mindestlohnrichtlinie. Er erläuterte die aktuelle deutsche Zielsetzung in den Bereichen Armutsbekämpfung, Beschäftigung und Kompetenzen, die zur Erreichung der neuen EU-Kernziele bis 2030 beitragen sollen.

Anne Wagenführ-Leroyer betonte die gesamteuropäische Perspektive der Verbandsarbeit der Caritas und stellte die Forderungen für eine sozialpolitisch aktivere EU vor. Insbesondere brauche es eine Richtlinie zur Stärkung der Mindesteinkommenssysteme, um rechtsverbindlich substanzielle Fortschritte zu verfolgen. Bei der nationalen Zielsetzung zur Armutsbekämpfung solle Deutschland sich auf alle drei in der EU gebräuchlichen Indikatoren beziehen, nicht nur auf die geringe Erwerbsintensität.

In der von Tilo Liewald moderierten Diskussion thematisierten das Publikum und das Podium insbesondere die Armutsbekämpfung, die Bedeutung und Geeignetheit der verschiedenen Armutsindikatoren, die Digitalisierung der Gesellschaft und die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Bildungsarbeit im Sinne des lebenslangen Lernens, das "Grünbuch Altern“ und die EU-Demografiepolitik, die angekündigte EU-Initiative zur (Langzeit-)Pflege, die Verhandlungen zur Mindestlohnrichtlinie sowie die "Konferenz zur Zukunft Europas“.

Mitwirkende

Impuls

  • Dimtcho Tourdanov, Beamter in Generaldirektion Beschäftigung und Soziale Inklusion der Europäischen Kommission, Brüssel


Moderation

  • Tilo Liewald, Referent im Paritätischen Gesamtverband e. V., Berlin


Vortrag/Diskussion

  • Tanja Struve, Leiterin Europabüro im Deutschen Landkreistag e. V., Brüssel
  • Dimtcho Tourdanov, Beamter in Generaldirektion Beschäftigung und Soziale Inklusion der Europäischen Kommission, Brüssel
  • Anne Wagenführ-Leroyer, Leiterin Hauptvertretung Brüssel im Deutschen Caritasverband e. V., Brüssel
  • Holger Winkler, Unterabteilungsleiter Europaabteilung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlinn

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