FF 3.10 Ausländerrecht trifft Jugendhilfe – Jugendhilfe trifft Ausländerrecht

Zusammenfassung

Allein reisende Kinder und Jugendliche und minderjährige Geflüchtete sind besonders vulnerabel und brauchen daher besonderen Schutz. In der Kinder- und Jugendhilfe werden der fachgerechte Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen sowie ihre Unterbringung, Betreuung und Perspektivplanung rege diskutiert.

Moderiert von Nadja Saborowski, Stellvertretende Bereichsleitung, Generalsekretariats des Deutschen Roten Kreuzes, Berlin, gingen im Rahmen eines Podiumsgesprächs Philip Ishola, CEO Love146 – London/UK, Philip Schützeberg, Leiter der Arbeitsgruppe Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter und Leiter der Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Nordrhein-Westfalen, Landschaftsverband Rheinland, Köln, Dr. Nicolas Tsapos, Jugendamtsleiter der Stadt Leipzig, Daniel Jasch, Leiter der Berliner Fachstelle für (un-)begleitete minderjährige Geflüchtete im Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen, und Johanna Karpenstein, Referentin im Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Berlin, der Frage nach, wie eine nachhaltige und kindeswohlorientierte Perspektivplanung für geflüchtete Kinder und Jugendliche im Einzelfall gelingen kann.

Dabei wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen und deren konkrete Umsetzung vor Ort, sowie die Zusammenarbeit der relevanten kommunalen Akteure aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Zum Auftakt nahm Philip Ishola eine kinderrechtliche Perspektive aus globaler Sicht ein: Unbegleiteten Kindern werden ihre Rechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention verankert sind, entzogen. Als Beispiele nannte er die Flüchtlingslager in der EU und illegale Pushbacks an den EU-Außengrenzen. Man dürfe hinsichtlich des ‚Best Interests‘ von Kinder und Jugendlichen keine Kompromisse machen.

Johanna Karpenstein knüpfte an und erläuterte, dass Gelingensfaktoren für ein gutes Ankommen der Kinder- und Jugendlichen eine unabhängige und mehrsprachige Beratung und Interessenvertretung seien und Zugang zum Rechtsschutz. In der Sozialarbeit mit Kindern und Jugendlichen brauche es Zeit, um Vertrauen aufzubauen.

Das Thema Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen griff Philip Schützeberg auf und betonte dabei, dass in Nordrhein-Westfalen die Wünsche der betroffenen Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden, dem aber leider immer wieder fehlende Kapazitäten entgegenstehen.

Dr. Nicolas Tsapos erinnerte an die Situation 2015, als zur Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen Mitarbeiter/innen aus allen Bereichen des Jugendamts rekrutiert wurden. Entstandene Strukturen seien verstetigt und professionalisiert worden, so dass man heute davon profitieren könne, obwohl sich im Moment nur wenige unbegleitete Minderjährige in Leipzig aufhielten.

Daniel Jasch gab Einblicke in die Berliner Praxis und erläuterte die Bedeutung einer wirksamen Interessenvertretung für die Belange der Kinder und Jugendlichen, um tatsächlich das Primat der Kinder- und Jugendhilfe durchzusetzen. Ein möglicher Ansatz sei die Einrichtung von niedrigschwelligen Ombudsstellen.

Es wurde anschließend darüber diskutiert, ob insbesondere nach einer langen Flucht Kindern und Jugendlichen ein Ankommen ermöglicht werde. Oder ob Verteilung und Altersfeststellung dem eher im Wege stünden und sich bei den Minderjährigen dann der Eindruckt verfestige, nicht willkommen zu sein. Wichtig sei eine Interessenvertretung von Anfang an, möglichst ohne weitere Beziehungsabbrüche. Für junge Volljährige seien weitere Perspektiven dann plötzlich abhängig vom Herkunftsland – es werde ein sicherer Status für alle UMF gebraucht, auch über das 18. Lebensjahr hinaus.

Mitwirkende

Moderation

  • Dr. Sebastian Sedlmayr, Leiter Abteilung Advocacy und Politik, Deutsches Komitee für UNICEF, Köln


Vortrag/Diskussion

  • Frank Hartwig, Netzwerkkoordinator Frühe Hilfen und Kinderschutz, Landkreis Oberhavel
  • Prof. Dr. Marion Hundt, Professur für öffentliches Recht, Evangelische Hochschule Berlin

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