FF 1.2 Zwischen Fördern und Fordern – Die Grundsicherung weiterentwickeln, neue Wege gehen? – Aktuelle Reformvorschläge auf dem Prüfstand

Zusammenfassung

In dem Forum erörterten die Teilnehmenden Perspektiven einer Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Prof. Dr. Ulrich Walwei umriss hierzu die aktuelle Situation. Demnach hat die Grundsicherung zu einem Rückgang der Zahl der Erwerbslosen und Aufstocker/innen beigetragen. Allerdings ist der Anteil der Langzeitleistungsbeziehenden mit Zugangsproblemen zum Arbeitsmarkt immer noch zu hoch. Die jüngsten Krisen haben den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gebremst. Der "transformativen Rezession“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine "transformative Erholung“ folgen. Damit steigt das Risiko einer erhöhten Sockelarbeitslosigkeit.

•Deshalb kann es sinnvoll sein, langjährig Berufstätige besser als bisher abzusichern. Um Gerechtigkeitsdefizite und Anreizprobleme zu reduzieren, sollte dies jedoch eher durch einen vereinfachten Zugang zur Grundsicherung als durch eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes oder durch höhere Grundsicherungsleistungen umgesetzt werden.

•Großzügigere Freibetragsregelungen in der Grundsicherung können im Niedrigeinkommensbereich Erwerbstätigkeit lohnender machen. Wirksam werden diese aber erst bei höheren fiskalischen Kosten. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger/innen würde steigen.

•Eine sanktionsärmere Ausgestaltung der Grundsicherung würde die unerwünschten negativen Folgen der jetzigen Sanktionen reduzieren. Dies sollte mit einer vertrauensbasierten Ausgestaltung der Vermittlungs- und Beratungspraxis verbunden werden.

•Eine Fortführung des Teilhabechancengesetzes und Aufwertung der freien Förderung würden die soziale Teilhabe von arbeitsmarktfernen Personengruppen stärken.

Dr. Klaus Bermig stellte Grundzüge der Einführung des Bürgergeldes vor. Die Reform soll Vertrauen stärken, Menschen nachhaltig in Arbeit bringen und die Leistung von Menschen anerkennen. Dazu gehören die Einführung von Karenzzeiten von zwei Jahren für Wohnen und Vermögen, die Neuregelung des Eingliederungsprozesses mit einer Teilhabevereinbarung, die Neuregelung der Leistungsminderungen/Sanktionen, die Verstetigung des sozialen Arbeitsmarktes sowie die Stärkung von Weiterbildung und nachhaltiger Integrationen. Der Sofortzuschlag für Kinder und das Sanktionsmoratorium, die sich gegenwärtig im parlamentarischen Verfahren befinden, stellen hierzu "Vorschaltgesetze“ dar.

Dr. Irene Vorholz trat dafür ein, behutsam und umsichtig vorzugehen. Die Grundsicherung ist ein geeignetes Leistungssystem, das sich in der Praxis bewährt hat. Nicht ein Neustart, sondern eine rechtliche Weiterentwicklung ist erforderlich. Beispielsweise sollte der Gesetzgeber endlich die Regelungen zur Bemessung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft konkretisieren.

Marc Hentschke erweiterte die Diskussion um einen Blick auf die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger. Die Aussagen im Koalitionsvertrag haben Erwartungen geweckt, die bei der Umsetzung berücksichtigt werden müssen. Dies betrifft auch die Höhe der Regelbedarfe. Diese müssen transparent, sach- und realitätsgerecht ermittelt werden. Dies würde zu einer deutlichen Anpassung der Regelbedarfe führen.

Mitwirkende
Moderation
•Petra Kaps, ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung Kaps & Oschmiansky PartG, Berlin

Impulsbeitrag und Positionen
•Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
•Dr. Klaus Bermig, Leiter der Unterabteilung Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bundesministerium für Arbeit und Soziales
•Dr. Irene Vorholz, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers, Deutscher Landkreistag
•Marc Hentschke, Vorstand, Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration

Mitwirkende

Moderation

  • Petra Kaps, Partnerin im Zentrum für Evaluation und Politikberatung Kaps & Oschmiansky PartG, Berlin


Vortrag/Diskussion

  • Dr. Klaus Bermig, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
  • Marc Hentschke, Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Fachverbandes für Arbeit und soziale Integration e. V., Stuttgart
  • Dr. Irene Vorholz, Stellvertreterin der Hauptgeschäftsführers im Deutschen Landkreistag, Berlin und Präsidiumsmitglied im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.
  • Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

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