FF 2.7 Im Fokus: Zukunft des Sozialstaats – auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit!?

Zusammenfassung

An dem Forum 2.7 nahmen rund 45 Personen teil. Der Einstieg in den Themenbereich machte Prof. Aysel Yollu-Tok. In ihrem digitalen Impulsbeitrag befasste sie sich mit Genderfragen im Zusammenhang mit der Sozial- und Arbeitsmarkt- bzw. Wirtschaftspolitik. Die Coronakrise mit ihrer enormen Belastung für das Gesundheitswesen, die Volkswirtschaft und den Sozialstaat habe sich als "Feldexperiment" für die Gleichberechtigung erwiesen und bestehende Ungleichheiten verstärkt. Sie hat sich vor allem negativ zulasten der ohnehin belasteten Sorgeverantwortlichen in Pflege und Kindererziehung/-betreuung ausgewirkt und betrifft nach wie vor weit überwiegend Frauen.

In dem Vortrag wurde ein Überblick gegeben über aktuelle geschlechtsbezogene Ergebnisse der Wirtschafts- und Sozialpolitik, den Gender Pay Gap, den Gender Lifetime Earning Gap, den Gender Care Gap (Anteil Zeit für unbezahlte Sorgearbeit), den Gender Care Share (Anteil Sorgeanteil in Paarhaushalten), den Gender Pension Gap. Zwischenergebnis: Bisher fällt in Deutschland die Umsetzung der Zielsetzungen von Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und das Verbot der Ungleichbehandlung, zum Nachteil von Frauen aus. Als hierfür ursächlich werden vor allem der auf Erwerbsarbeit gerichtete Fokus der Gesellschaft gesehen und die geringe Wertschätzung (unbezahlter) Sorgearbeit. Um Verbesserungen zu erreichen, muss an unterschiedlichen Stellschrauben gedreht werden: Berufswahl (fehlende Geschlechtermischung, Gehaltsunterschiede, Frauen, die von ihrem Gehalt nicht leben können), Gleichstellung in Erwerbsarbeit (u.a. abhängig von Infrastruktur Kinderbetreuung/Infrastruktur Pflege), Wiedereinstig in Erwerbsarbeit (gelingende Übergänge, stetige Möglichkeit, Weiterbildungen), Steuertransfersysteme (Minijobs, Ehegattensplitting etc. schaffen falsche Anreize, stützen tradierte Rollenbilder).

Für die anschließende Podiumsdiskussion stellte Prof. Aysel Yollu-Tok folgende vier rechtliche Lösungsansätze heraus:
1.Veränderungen bei der Vorstellung von Vollzeitbeschäftigung,
2.Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten (flankiert von Schutzmaßnahmen),
3.Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes,
4.Neustart: Verfahren zur Aufwertung (erwerbsförmiger) Sorgearbeit.

Moderiert von Vanessa Kiesel diskutierten Diana Kinnert, Helga Kühn-Mengel und Lisi Maier unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze, u.a.:
•Debatte über Allein-Ernährer-Modell,
•Entgelttransparenzgesetz mit Sanktionen verknüpfen,
•Abschaffung von Anreizen für einseitige Sorgearbeit, Anreize für egalitäre Verteilung,
•Gutscheinmodelle für haushaltsnahe Dienstleistungen,
•Zeitpolitik (Verteilung der Lebenszeit für: Erwerbsarbeit (30-Stunden-Woche?), Sorgearbeit, Freizeit – ab wann Rente?),
•gläserne Decke durch Care Gap zwischen 25 und 45 Jahren auflösen,
•Homeoffice: Gefahr der Selbstausbeutung/Entgrenzung, Unsichtbarkeit/Singularisierung von Frauen im HO verhindert nicht bisherige Strukturen.

Mitwirkende

Impuls

  • Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin; Direktorin des Harriet Taylor Mill-Institut


Moderation

  • Vanessa Kiesel, Referentin Familien- und Geschlechterpolitik Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn


Vortrag/Diskussion

  • Diana Kinnert, Selbstständige Unternehmerin sowie Beraterin und Publizistin, Berlin.
  • Helga Kühn-Mengel, Arbeiterwohlfahrt Regionalverband Rhein-Erft & Euskirchen e.V., Bergheim
  • Lisi Maier, Direktorin in der Bundesstiftung Gleichstellung, Berlin

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