FF 4.10 Die Reform des SGB VIII – Selbstorganisierte Zusammenschlüsse als fester Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe

Zusammenfassung

In der Diskussion auf dem Podium wurde die Position vertreten, dass junge Menschen, die in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe leben, unzureichend über eigene Rechte informiert und aufgeklärt werden. Es sei die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, die jungen Menschen über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren bzw. an geeignete Externe wie z.B. Ombudschaften zu verweisen. Selbst Fachkräfte in der stationären Jugendhilfe hätten nicht selbstverständlich das Wissen über die Möglichkeit, Rechte einzufordern. Die Vertreter der kommunalen Jugendämter stellten fest, dass die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet seien, freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu beraten.

Die Vertreterin der Stadt Nürnberg berichtete, wie die Stadt seit rund 30 Jahren Kinder und junge Menschen aktiv beteilige. Sie sei der Meinung, dass hier insgesamt noch große Schritte zu gehen seien, denn Politik und Verwaltung müssten sensibilisiert werden, Ansinnen und Interessen von jungen Menschen ernst zu nehmen. Der Jugendhilfeausschuss alleine reiche dafür nicht aus. Ebenso wäre es wichtig, junge Menschen z.B. in anderen kommunalen Ausschüssen wie dem Finanzausschuss sowie dem Stadtentwicklungsausschuss zu beteiligen. Zudem sei eine fördernde und unterstützende Begleitstruktur vor Ort von großer Bedeutung, z.B. in Form von Ressourcen.

Der Vertreter der Landesebene erläuterte, dass die BAGLJÄ derzeit an der Weiterentwicklung der Empfehlungen zu den Änderungen nach § 45 SGB VIII arbeite. Die Podiumsgäste waren sich einig, dass die Eingliederungshilfe in den Jugendhilfeausschuss aufgenommen werden müsse, um deren Erfahrungen, Expertise und Ressourcen für den Weg zur inklusiven Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort nutzen zu können. Dafür müsse nur die Satzung des Jugendhilfeausschusses dahingehend verändert werden, dass die Eingliederungshilfe Mitglied werden kann. Die selbstorganisierten Zusammenschlüsse seien erst einmal für die kommunale Ebene geplant. Viele Träger bzw. Fachkräfte hätten sich mit dem Thema Beteiligung noch nicht beschäftigt und Sorge davor, Macht abzugeben, und wären schlicht unsicher. Ferner schwinge der Fachkräftemangel mit. Es bestünde vielerorts die Sorge, dass auf die wenigen vorhandenen Mitarbeiter/innen mehr Arbeit zukommen würde, sowie die Gefahr der Scheinbeteiligung, die unbedingt vermieden werden müsse. Die Themen Beteiligung und Stärkung von Kindern und Jugendlichen müsse auch in den Hochschulen etabliert werden sowie in der Erzieher/innenausbildung. Insbesondere die Kommunale Jugendhilfeplanung sei hier gefragt, Bedarfe und Bedürfnisse als Instrument zu nutzen, mehr in die Lebenswelten der jungen Menschen zu gehen. So werden z.B. im Landkreis Nordfriesland die Mittel zur Beteiligung und Stärkung von jungen Menschen nicht aus den freiwilligen Leistungen, sondern aus dem Budget für Hilfen der Erziehung finanziert. Seitens des Podiums wird darauf hingewiesen, das mit dem Jugendcheck alle Gesetzesinitiativen auf Bundesebene daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen Gesetze auf das Leben junger Menschen haben. Solch ein Instrument wäre auch für die kommunale oder Landesebene denkbar und zielführend.

Auf dem Podium war man überzeugt davon, dass wenn junge Menschen Wertschätzung und Offenheit erfahren, sie besser lernen können, eigene Bedürfnisse zu erkennen und sich für deren Umsetzung einzusetzen. Das Thema Selbstvertretung habe eine große Bedeutung für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.

Aus dem Podium kam die Frage, welche Unterstützungsstrukturen es für junge Menschen mit Behinderungen gebe. Es wurde darauf verwiesen, dass im BTHG Assistenzlehrkräfte für die Ausübung eines Ehrenamtes nicht mehr gefördert werden, und der Appell an die Anwesenden gerichtet, diese jungen Menschen im Prozess nicht aus dem Fokus zu verlieren. Denn 90 % der jungen Menschen mit Behinderungen leben nicht in Einrichtungen, sondern in ihren Familien. So sei in der Eingliederungshilfe Beteiligung ein großes Thema, Barrierefreiheit bedenken, einfache Sprache verwenden, Selbstreflektion der Verwaltung als Chance für die Weiterentwicklung verstehen. Aus einem Recht müsse seitens der Kinder- und Jugendhilfe eine Haltung gemacht werden.

Mitwirkende

Moderation

  • Sabine Gallep, Referentin im Referat 23 Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe, Wohnheime und Internate, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, Potsdam


Vortrag/Diskussion

  • Adolis Asmerom, Expertin für Beteiligung von jungen Menschen, Hessen
  • Dr. Harald Britze, Vertreter BAGLJÄ, Strategischer Teamleiter Hilfen zur Erziehung, Adoptionsstelle sowie stellvertretender Leiter ZBFS, München
  • Daniela Broda, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, Berlin
  • Dr. Kerstin Schröder, Leiterin Jugendamt der Stadt Nürnberg
  • Daniel Thomsen, Leiter Fachbereich 5 Familie, Jugend, Bildung, Landkreis Nordfriesland, Husum
  • Jamie Uffelmann, 1. Vorsitzende des Landesheimrates Hessen
  • Prof. Dr. Mechthild Wolff, Studiengangsleiterin BA Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe an der Hochschule Landshut

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