Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder kommt

Mit dem Ganztagsförderungsgesetz sollen ab dem Jahr 2026 beginnend mit der Klassenstufe 1 alle Kinder im Grundschulalter bis zum Jahr 2030 einen Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehung, Bildung und Betreuung erhalten. Alle Akteure – Bund, Länder, Kommunen und Verbände – sind sich über die Notwendigkeit des Ausbaus eines bedarfsgerechten Angebots einig. Allerdings bestand zwischen Bund und Ländern bis vor Kurzem ein Dissenz hinsichtlich der Beteiligungshöhe des Bundes an den Investitions- und Betriebskosten und der Bundesrat hatte den Vermittlungsausschuss angerufen.

Dieser hat inzwischen ein Ergebnis erzielt, welches am 7. September 2021 vom Bundestag und am 10. September 2021 vom Bundesrat beschlossen wurde. Im Ergebnis haben sich Bund und Länder auf Folgendes geeinigt: Der Bund wird sich unverändert mit bis zu 3,5 Mrd. Euro an den Investitionskosten, aber mit einem höheren jährlich aufwachsenden Betrag an den Betriebskosten beteiligen. In der Spitze wird der Bund ab dem Jahr 2030 jährlich 1,3 Mrd. Euro (statt 980 Mill.) übernehmen.

Bei den Investitionen sind zukünftig auch Ausstattungen förderfähig, jedoch keine Instandhaltung. Zudem haben die Länder erreicht, dass auch die Eigenanteile der Träger bei den Investitionen der Länder einberechnet werden können. Mit einer neuen Evaluationsklausel soll zudem die Ausgabenbelastung von Bund und Ländern zum 31. Dezember 2027 und zum 31. Dezember 2030 geprüft werden. Im Vorfeld hatte das Deutsche Jugendinstitut seine Bedarfsberechnungen korrigiert.

Demnach sei nicht mehr von einem Bedarf von über 1 Million Plätzen, sondern nur noch von 600.000 Plätzen auszugehen. Die Gründe lägen in der verspäteten Nachmeldung von Plätzen insbesondere durch Baden-Württemberg, sowie niedrigerer Bedarfsmeldungen der Eltern und einer sinkenden Geburtenrate. Zudem geht das Deutsche Jugendinstitut entgegen seiner vormaligen Personalberechnungen nicht mehr nur von 100 % sozialpädagogischen Fachkräften aus, sondern zu 50 % von sogenannten "Werkstudenten".

Die aktuellen Berechnungen sind jedoch bislang noch nicht veröffentlicht. Auch hat das DJI nicht mehr den Gesamtbedarf, sondern nur den Ganztagsbedarf neu berechnet. Der Gesamtbedarf umfasst alle bekannten Bedarfe der Eltern, unabhängig von der gewünschten Betreuungsform und vom zeitlichen Umfang im Zeitrahmen von 12.00 Uhr (nach der Unterrichtszeit) bis 16.00 Uhr (+). Der Ganztagsbedarf umfasst den Zeitrahmen von nach der erweiterten Übermittagsbetreuung (14.30 Uhr bis 16.00 [+"> Uhr). Etliche Mitglieder des Deutschen Vereins sehen diese neuen Zahlen des DJI kritisch.

Der Deutsche Verein begrüßt zwar das Ende des Tauziehens zwischen Bund und Ländern, bezweifelt aber, ob die bis zum Jahr 2026 verbleibende Zeit ausreichen wird, um die notwendigen Baumaßnahmen abzuschließen und das erforderliche Personal zu gewinnen. Zudem wird zu prüfen sein, ob die finanziellen Mittel auch tatsächlich bei den Kommunen vor Ort ankommen werden. Auf der anderen Seite ist anzuerkennen, dass die Einführung eines Rechtsanspruches auf Ganztag für Grundschulkinder ein richtiges und – aktuell – sehr notwendiges Signal für Kinder und ihre Familien ist.

Gleichwohl sind mit dem Rechtsanspruch neben den personellen, baulichen und finanziellen Herausforderungen auch noch eine Reihe konzeptioneller und rechtlicher Fragen verbunden, die vor dessen Einführung geklärt werden müssen. Zu nennen sind hier bspw. die Frage des Zusammenspiels von Schulaufsicht und Aufsicht der Kinder- und Jugendhilfe, die Frage von Pflicht (Schulrecht) und Freiwilligkeit (SGB VIII), die Frage eines gemeinsamen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsverständnisses und nicht zuletzt auch die eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses. Dringend erforderlich ist schließlich eine Fachkräfte- und Qualitätsoffensive, die von Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden gemeinsam getragen werden.

Der Deutsche Verein wird den Prozess der Umsetzung auch weiter intensiv begleiten. So führt er im Rahmen des Deutschen Fürsorgetages ein Fachforum zum Thema "Der Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder – gemeinsame Verantwortung der föderalen Ebenen?!" durch.


Zu der Autorin

Foto von Maria-Theresia Münch, Holger Groß Maria-Theresia Münch ist als wissenschaftliche Referentin im Arbeitsfeld II tätig und zuständig für die Themen Kindertagesbetreuung, Frühe Bildung, Personal in der Kindertagesbetreuung, Weiterentwicklung der Fachberatung/Fachdienste /Träger.

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