Kompetent im Ehrenamt - Interview mit Geschäftsführerin Nora Schmidt

Cover des PEQ HandbuchsÜber ein Jahr lang hat der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Projekt für Pflege, Engagement und Qualifizierung, kurz PEQ, umgesetzt. Daraus ist ein Handbuch für Schulungen von Ehrenamtlichen im Umfeld von Pflege entstanden. In einem Gespräch erläutert die Geschäftsführerin des Deutschen Vereins, Nora Schmidt, warum Qualifizierung von Ehrenamtlichen im Umfeld von Pflege ein Gewinn für alle ist – für Ehrenamtliche, Einrichtungen, Angehörige und nicht zuletzt für die pflege- oder hilfebedürftigen Menschen selbst.

Frau Schmidt, brauche ich wirklich eine Schulung, um meinem pflegebedürftigen Nachbarn einmal die Woche etwas vorzulesen?
Auf den ersten Blick nicht. Aber wenn man genauer hinschaut, stellt man schnell fest, dass dort, wo Ehrenamtliche qualifiziert werden und Möglichkeiten zum Austausch erhalten, sie sich gut vorbereitet und motiviert fühlen. Dies gilt auch im Engagement für ältere und pflegebedürftige Menschen. Als Freiwilliger schenken sie nicht nur Zeit und Zuneigung, sondern konfrontieren sich ggf. mit Einschränkungen der alten Menschen, die Ihnen zuvor unbekannt waren, oder müssen sich mit Angehörigen oder Pflegediensten absprechen. Das Handbuch greift typische Themen, wie "Kommunikation", "eigene Haltung" oder "Zusammenarbeit mit pflegenden Angehörigen" auf und bietet verschiedene Ideen an, diese im Rahmen von Qualifizierungen anzusprechen.

Öffnet man damit nicht eine Hintertür, um mancherorts fehlende professionelle Pflegekräfte zu ersetzen?
Nein. Ich würde sogar behaupten, dass das Gegenteil der Fall ist. Qualifizierungen sind ein Gewinn für alle. Es gibt viele Menschen, die sich gerne ehrenamtlich für pflege- oder hilfebedürftige Menschen engagieren möchten, aber unsicher sind. Sie wollen sich im Rahmen ihrer Kompetenzen einbringen und nicht überfordern. Qualifizierungen können hier Ängste und Unsicherheiten nehmen. Sie stärken die Kompetenzen und ermöglichen, neue zu entdecken. Außerdem würdigt man mit Qualifizierungen das Engagement von Ehrenamtlichen. Engagierte gewinnen damit Sicherheit und Wertschätzung. Auch Angehörige von pflege- oder hilfebedürftigen Menschen profitieren von kompetenten Ehrenamtlichen, indem sie ihre Lieben in guten Händen wissen. Was die professionelle
Pflege betrifft: Der Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich des Ehrenamts setzt woanders an. Dazu gehören Besuche, Gespräche, Vorlesen oder Pflege von sozialen Kontakten. Engagierte ersetzen dabei nicht die qualifizierte Pflege von Fachkräften, sondern ergänzen diese um wertvolle soziale Komponenten.

Das Engagement im Umfeld der Pflege ist vielseitig, ebenso - wie gehört - die Kompetenzen der Engagierten, aber auch die Gegebenheiten vor Ort. Kann man mit einem Handbuch dieser Vielschichtigkeit überhaupt adäquat begegnen?
Es ist in der Tat eine Herausforderung. Aber, ich denke, dass wir mit dem fundierten und klug durchdachten Konzept des Handbuchs diese Herausforderung gut gelöst haben. Insbesondere der modulare Aufbau und die praxisrelevanten Inhalte des Curriculums ermöglichen es, den unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Dozentinnen und Dozenten finden hier konkrete Hinweise, wie sie unterschiedliche Themen vermitteln können. Enthalten sind Übungsvorschläge, Fallbeispiele, aber auch Vorschläge zu Exkursionen und Vorträgen. Außerdem bietet das Handbuch Hintergrundinformationen zum Engagementfeld Pflege. Wer engagiert sich und warum? Was folgt daraus für Bildungsangebote? Welche Kompetenzen benötigen Engagierte, um kompetente Unterstützung zu leisten? Anhand realer Situationen wird verdeutlicht, in welchen Bereichen und in welcher Vielfalt Engagement möglich ist. Aber auch: Zu welchen Komplikationen es kommen kann und welche Grenzen bestehen. Zu guter Letzt haben wir einen Leitfaden zur Umsetzung von Bildungsangeboten in der Freiwilligenarbeit mit vielen Checklisten und Praxistipps erarbeitet. Alles in Allem also eine sehr gute Mischung aus Theorie und Praxis.

Akteure und Einrichtungen, die Ehrenamtliche für die Begleitung und Unterstützung von hilfe- oder pflegebedürftigen Menschen gewinnen und auf diese Aufgabe vorbereiten wollen, können eine Druckversion des Handbuchs kostenfrei beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hier bestellen. Pro Einrichtung können maximal 2 Exemplare gegen Übernahme der Portokosten bezogen werden. Weitere Informationen sowie eine Download-Version des Handbuchs [PDF, 2,4 MB] mit den dazugehörigen Anlagen stehen hier zur Verfügung.

Kontakt
Nora Schmidt
Geschäftsführerin
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.
+49 30 62 980-628
schmidt@deutscher-verein.de

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