Drei Fragen an… Vorstand Michael Löher

Laut Beschluss des Präsidiums des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. lautet das Motto des 81. Deutschen Fürsorgetags vom 15. bis 17. Mai 2018 in Stuttgart „Zusammenhalt stärken – Vielfalt gestalten“. Mit Vorstand Michael Löher haben wir über sozialpolitische und sozialrechtliche Herausforderungen der kommenden Jahre und seine Erwartungen an das Großereignis „Deutscher Fürsorgetag“ gesprochen.

dv aktuell:

Herr Löher, bricht unsere Gesellschaft unter der Vielfalt auseinander?

Michael Löher:

Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, der gesellschaftlichen und politischen Unruhe. Viele Menschen haben Ängste und sind verunsichert. Zuwanderung, eine hohe Zahl geflüchteter und schutzsuchender Menschen, religiöse und politische Radikalisierung, die Erschütterung der europäischen Integration und der Europäischen Union, globale Krisen und Veränderungen – auch der Finanzmärkte, und die voranschreitende Digitalisierung – all das beunruhigt und weckt den Wunsch nach Beständigkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit. Damit sie nicht auseinanderbricht, ist eine sich schnell verändernde Gesellschaft in besonderer Weise auf sozialen Zusammenhalt und Solidarität angewiesen.

dv aktuell:

Einfach den sozialen Zusammenhalt stärken und schon sind alle Probleme gelöst?

Michael Löher:

Wir haben folgende Situation: In kaum einen anderen Land gibt es so gute sozialstaatliche Strukturen und Sicherungssysteme wie in Deutschland, auch wenn hier und da nachgesteuert werden muss. Die Wirtschaft floriert und wir haben eine im Grunde lebendige und stabile Demokratie. Dennoch gibt es Verunsicherung. Die Menschen brauchen Vertrauen in die Zukunft. Dieses Vertrauen haben sie scheinbar momentan nicht, auch wenn die Faktenlage oft klar ist. Sozialer Zusammenhalt lässt sich nicht staatlich verordnen. Die Bedingungen für sozialen Zusammenhalt und gelebte Vielfalt müssen immer wieder neu ausgehandelt werden.

Ich verdeutliche das an einem Beispiel: Wir haben ein Sozialversicherungssystem, das an Beschäftigungsverhältnisse gekoppelt ist. Die Absicherung beruht auf einer Reihe von Grundbedingungen, die in ihrer tatsächlichen Bedeutung abgenommen haben. Das gilt für das „Normalarbeitsverhältnis“, aber auch für die „Normalfamilie“. Die Rahmenbedingungen verändern sich, was dazu führen kann, dass hergebrachte sozialstaatliche Lösungen vielleicht am Bedarf vorbei laufen. Wir wollen auf dem 81. Deutschen Fürsorgetag in medias res gehen und über einen möglichen Umbau des Sozialstaates diskutieren, der der veränderten Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Menschen gerecht wird. Dann gibt es wieder Vertrauen. Und es wird nicht der einzige Bereich sein, den wir in den drei Tagen kritisch beleuchten wollen.

dv aktuell:

Sie haben sich für den 81. Deutschen Fürsorgetag viel vorgenommen. Welche Ergebnisse erwarten Sie?

Michael Löher:

Der erste Fürsorgetag fand 1880 statt. Seit damals begleiten wir den tiefgreifenden politischen und sozialen Wandel in unserem Land. Die Themen der Fürsorgetage sind wie ein Kaleidoskop der gesellschaftlichen Veränderungen und Umbrüche. Ich bin daher optimistisch, dass wir auch am Ende des 81. Fürsorgetags wichtige Impulse für die Sozialpolitik, das Sozialrecht und die Soziale Arbeit gesetzt haben. Wir erwarten – wie bei den letzten beiden Fürsorgetagen – über 2.000 Teilnehmende. Sie arbeiten in Kommunen, in der Wohlfahrtspflege, in der Bundes- und Landespolitik, an Gerichten, in der Wissenschaft in den verschiedensten Themenfeldern. Sie sind allesamt Expertinnen und Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten.

Sie kommen nicht nur zum Fürsorgetag um zuzuhören. Sie bringen ihre Erfahrungen und Ideen aus ihrer täglichen Arbeit in die Diskussionen ein. Und ein entscheidender Punkt kommt noch dazu: Beim Fürsorgetag haben sie die Gelegenheit sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten auszutauschen. Es ist diese spezielle Mixtur, die es uns immer wieder ermöglicht, wegweisende Ergebnisse vorzulegen.

dv aktuell:

Vielen Dank für das Gespräch!

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