Alles bleibt anders – die Vielfalt von Familienformen und Elternschaft

Erst kürzlich hat der Bundestag entschieden, dass künftig auch unverheiratete Paare Stiefkinder adoptieren dürfen. Nach Auffassung des Deutschen Vereins erfolgt damit eine notwendige Anpassung an die Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland. Das unverheiratete Zusammenleben von Paaren mit Kindern ist heute keine Seltenheit und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, sodass eine stabile Umgebung für das Aufwachsen von Kindern nicht zwangsläufig am Ehestatus der Eltern zu bemessen ist.

Die Vielfalt familiärer Lebensformen hat zugenommen, vor allem die Institution Ehe hat dabei an normativer Verbindlichkeit verloren[1]. Zwar bilden Ehepaare mit Kindern noch immer die häufigste Familienform (68 %)[2] in Deutschland, jedoch wird fast jede dritte Ehe geschieden[3]. Entsprechend ist die Anzahl von Stieffamilien und Alleinerziehenden in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Diese Entwicklung führt auch zu familienrechtlichen Herausforderungen. So ist die Vielfalt der nach einer Trennung gelebten Betreuungsmodelle bis hin zum paritätischen Wechselmodell im aktuellen Recht unzureichend abgebildet.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant deshalb einen umfassenden Reformvorschlag, der sowohl das Sorge- und Umgangsrecht als auch das Unterhaltsrecht umfassen soll. Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Verein eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Ziel es ist, Empfehlungen mit Erwartungen an ein solches anspruchsvolles Reformvorhaben zu erarbeiten.

Während die Eheschließung für die einen an Attraktivität einbüßt, ist sie für die anderen ein Recht, dass lange erstritten werden musste. Die Öffnung der Ehe für alle im Oktober 2017 ist ein starkes Zeichen der zunehmenden Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in unserer Gesellschaft. Anders jedoch als bei heterosexuellen Ehepaaren gilt bei lesbischen Paaren die Ehefrau nicht automatisch als zweiter rechtlicher Elternteil des von ihrer Partnerin in die Ehe geborenen Kindes – ein durch Samenspende gezeugtes Kind muss als Stiefkind erst adoptiert werden. Vor diesem Hintergrund begrüßte die Geschäftsstelle des Deutschen Vereins den Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum "Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts". Dies ist ein in sich schlüssiger und konsequenter Vorschlag und wichtiger Schritt im Sinne einer notwendigen Fortentwicklung des Abstammungsrechts.

Nach dem Diskussionsteilentwurf soll es – analog zu den bestehenden Regelungen zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft – auch Frauen zukünftig möglich sein, kraft Ehe, Anerkennung oder gerichtlicher Feststellung den Status des zweiten rechtlichen Elternteils als Mit-Mutter zu erhalten.

Neue Formen der Elternschaft und die Reformbedarfe im Abstammungsrecht werden auch im aktuellen Heft der Reihe "Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit" diskutiert. Die Beiträge der Ausgabe "Vielfalt von Elternschaft und Familie: Reformbedarf für Recht und Soziale Arbeit"setzen sich mit den empirischen Ausprägungen unterschiedlicher Familienformen und typischer Arbeitsteilungsmuster sowie mit rechtlichen Anpassungsbedarfen auseinander und fragen nach den Konsequenzen, die daraus für konkrete Beratungs- und Unterstützungsangebote der Sozialen Arbeit erwachsen.



[1] Peuckert, R, Die Institution Ehe in der Krise, in: Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, 2012, S. 76.
[2] Statistisches Bundesamt, Daten zu Kinderlosigkeit, Geburten und Familien, Ausgabe 2017, S. 24.
[3] Statistisches Bundesamt, Maßzahlen zu Ehescheidungen 2000 bis 2018.

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