Empfehlungen/Stellungnahmen 2019

18.06.2019 – Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Regulierung und Vermeidung von Stromschulden und Stromunterbrechungen in Haushalten der Grundsicherung und Sozialhilfe

Ausgangslage, Ziele und Adressaten der Empfehlungen
Von 2011 bis 2017 sind jährlich bundesweit deutlich über 300.000 Stromsperren im Auftrag der örtlich zuständigen Grundversorger durchgeführt worden. Der Höchststand von fast 352.000 Sperrungen im Jahr 2014 ist auf gut 318.000 Sperrungen im Jahr 2016 zurückgegangen. Im Jahr 2017 hat die Zahl der Sperrungen wieder auf 330.000 zugenommen.

Eine repräsentative Haushaltsbefragung aus dem Jahr 2015 ergab, dass Stromsperren relativ ebenso häufig in Haushalten der Grundsicherung wie außerhalb der Grundsicherung vorkommen. Gemessen an den 331.000 Stromsperrungen im Jahr 2015 wurden demnach in diesem Jahr rund 165.000 Stromsperrungen in Haushalten der Grundsicherung durchgeführt. Außerhalb der Grundsicherung konzentrieren sich Stromsperren in den unteren Einkommensbereichen. Etwa zwei Drittel der Stromsperren fallen demnach im Bereich der untersten 40 % der Äquivalenzeinkommen an.

Vor der Durchführung von Stromsperren werden diese angedroht und beauftragt. Die Anzahl der jährlichen Sperrandrohungen schwankt erheblich. Im Jahr 2016 wurden 6,6 Millionen Mal Stromsperren angedroht, im Jahr 2017 4,8 Millionen Mal. Im Berichtszeitraum führten 20 bis 25 % der Androhungen zur Beauftragung von Stromsperren. Im Jahr 2017 lag diese Quote bei 21 %, das sind knapp 1,2 Millionen Beauftragungen. Im Jahr 2017 wurden 7 % der Androhungen in tatsächliche Stromsperren umgesetzt.

Bei Haushalten, die Beratungen des Projektes "NRW bekämpft Energiearmut" in Anspruch nahmen, betrugen die Stromschulden in fast allen Fällen deutlich mehr als 100,– €. Zwei Drittel dieser Haushalte hatten mehr als 500,– € Stromschulden, 14 % über 2.000,– € Stromschulden. Ein Fünftel der Haushalte hatte weitere Schulden, ein großer Teil davon war überschuldet. Die Hauptursache für Zahlungsprobleme dieser Haushalte ist ein niedriges Einkommen. Gut 30 % der Haushalte hatten einen hohen Stromverbrauch. Wenn kritische Ereignisse wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit im privaten Lebensumfeld auftraten, waren diese Haushalte finanziell überfordert.

Stromsperren verursachen zusätzliche Kosten, die von den Haushalten getragen werden müssen und somit die Zahlungsrückstände vergrößern. Die Höhe der Kosten ist jedoch sehr unterschiedlich. Einige Stromlieferanten leiten lediglich die Kosten des mit der Sperrung bzw. Wiederherstellung beauftragten Netzbetreibers weiter, andere berechnen für die Durchführung einer Sperrung zusätzlich eigene Kosten. Im Durchschnitt waren das 2017 39,– €. Insgesamt betrugen die durchschnittlichen Kosten im Jahr 2017 für die Durchführung einer Stromsperre 36,– € und für die Wiederherstellung des Anschlusses durchschnittlich ebenfalls 36,– €, also zusammen 72,– €; 2016 waren es 98,– €. Die Spanne der Kosten, die Stromversorger ihren Kunden für Stromsperren in Rechnung stellen, liegt zwischen 2,– € und 199,– €.

Stromsperren können dazu führen, dass das Wohl von Säuglingen und Kleinkindern in der Häuslichkeit gefährdet wird. Es ist besonders dringend geboten, dass es in solchen Haushalten nicht zu Stromsperren kommt.

Der Deutsche Verein hat auf die Situation und Entwicklung bei den Stromschulden und Stromsperren in seiner "Problemanzeige" zur Bemessung des Bedarfs an Haushaltsenergie hingewiesen und Perspektiven für eine Lösung des Problems aufgezeigt. Basiswert für die Bemessung des Strombedarfs sollte aus Sicht des Deutschen Vereins ein nach Haushaltstypen differenzierter durchschnittlicher oder mittlerer Stromverbrauch sein, sodass davon auszugehen ist, dass alle Haushalte der Grundsicherung, die keine besonderen Strombedarfe wie etwa für medizinische Hilfsmittel im Haushalt oder Heizradiatoren haben, bis zu diesem Wert ihren Strombedarf decken können. Damit die Stromkosten sicher aus dem zugemessenen Bedarf gedeckt werden können, sollen die regionalen oder örtlichen Strompreise der zweite Faktor für die Bemessung des Strombedarfs sein.

Vollständige Empfehlung/Stellungnahme vom 18.06.2019 [PDF, 420 KB]

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