Empfehlungen/Stellungnahmen 2019

11.09.2019 – Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Rechtsvereinfachung und Weiterentwicklung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe

Einleitung
Der Deutsche Verein hat zuletzt im Jahr 1990 eine umfassende Broschüre "Vorschläge zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe" veröffentlicht. Die Ausarbeitung ging zurück auf einen Beschluss des damaligen Vorstands des Deutschen Vereins (heute Präsidium), "kritisch die derzeitige Situation der Sozialhilfe zu beleuchten und Überlegungen für eine Weiterentwicklung anzustellen".

Seitdem hat die Sozialhilfe erhebliche Änderungen erfahren. Die gravierendste Änderung erfolgte zum 1. Januar 2005. In diesem Jahr wurden das Sozialhilferecht des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung, die kurzzeitig in einem eigenen Grundsicherungsgesetz (GSiG) geregelt war, in das neue Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) eingegliedert. Gleichzeitig trat das Zweite Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Kraft. Abweichend vom BSHG wird die Hilfe zum Lebensunterhalt seitdem pauschaliert erbracht; Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nunmehr in tatsächlicher Höhe gewährt, soweit sie nicht den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen.

Die heutigen Regelungen des SGB XII bedürfen dringend einer Überarbeitung mit dem Ziel einer Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung. So umfasst das SGB XII Regelungen, die sich in der Praxis als verwaltungsaufwendig und fehleranfällig erwiesen haben. Darüber hinaus besteht ein Anpassungsbedarf aufgrund jüngster gesetzlicher Änderungen mit Auswirkungen auf die Sozialhilfe. Das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG vom 22. Dezember 2016), das Bundesteilhabegesetz (BTHG vom 23. Dezember 2016) sowie die Pflegestärkungsgesetze (PSG I bis III der Jahre 2015 bis 2017) führen in den Sozialverwaltungen und Beratungsstellen zu erhöhtem Arbeitsaufwand in der Rechtsanwendung. Die vollständige Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zum 1. Januar 2020 mit der aufgrund der Personenzentrierung erforderlichen Trennung von Fachleistungen und Existenzsicherung für Menschen mit Behinderungen und insbesondere die Regelungen für "besondere Wohnformen" verstärken die Problematik, dass sich die vorhandenen Systeme zur Existenzsicherung (Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II) in Bezug auf zu deckende Bedarfe und einzusetzende Einkommen – teilweise mit der Begründung der Berücksichtigung unterschiedlicher Zielsetzungen der Gesetze und unterschiedlicher Personengruppen – auseinander entwickeln. Zur Deckelung pflegerischer Bedarfe nach dem Pflegestärkungsgesetz verweist der Deutsche Verein auf seine Empfehlung, vor dem Hintergrund des Grundsatzes "ambulant vor stationär" zu prüfen, ob die Sonderrechtsnachfolge nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf Leistungen ambulanter Pflegedienste zu erstrecken ist.

Der Deutsche Verein plädiert für rechtssichere, transparente und nachvollziehbare Regelungen des SGB XII, vereinfachte Verwaltungsverfahren und bedarfs
gerechte Leistungen als eine notwendige Grundlage, um die Aufgabe der Sozialhilfe auch weiterhin zu erfüllen. Diese besteht darin, den leistungsberechtigten Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen und sie dabei soweit wie möglich zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfe zu leben.

Mit den vorliegenden Empfehlungen wendet sich der Deutsche Verein in erster Linie an den Bundesgesetzgeber, teilweise an die Landesgesetzgeber. Die Empfehlungen zeigen unter Hinweis von Problemanzeigen aus der Praxis auf, welche Regelungen des SGB XII besonders verwaltungsaufwendig und fehleranfällig sind und daher einer Klarstellung und Rechtsfortentwicklung bedürfen. Diese Rechtsfortentwicklung soll zu einer leichteren Handhabbarkeit und zur Vermeidung fehlerhafter Rechtsanwendung beitragen. Die Empfehlungen enthalten aber darüber hinaus auch bereits erste Hinweise auf systematische Fragen, die es künftig zu klären gilt und die das Sozialhilfesystem mit seinen verschiedenen Hilfearten insgesamt betreffen (vgl. z.B. die Hinweise zum unterschiedlichen Einsatz von Einkommen und zur Einkommensbereinigung).

Vollständige Empfehlung/Stellungnahme vom 11.09.2019 [PDF, 420 KB]

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