In der ‚Zeitenwende‘: Geteilte Verantwortung im subsidiären Sozialstaat
Fachveranstaltung anlässlich der Verabschiedung von Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. mit anschließendem Abend der Begegnung am 18. Juni 2024 in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Eine wesentliche Grundlage für einen gut aufgestellten Sozialstaat bildet ein gelingendes Zusammenspiel der föderalen Ebenen und der Freien Wohlfahrtspflege sowie der privatgewerblichen Anbieter sozialer Dienste und der Wissenschaft aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit, der Sozialpolitik und des Sozialrechts. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. bringt all diese Akteurinnen und Akteure als Mitglieder und wichtige Stakeholder unter seinem Dach zusammen. Er bietet einen Raum für den gemeinsamen Austausch und das Aushandeln von neuen Lösungswegen, um die sozialen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa an aktuelle Herausforderungen anzupassen und zu verbessern.
Im Rahmen der Fachveranstaltung anlässlich der Verabschiedung des langjährigen Vorstands des Deutschen Vereins, Michael Löher, wurden die grundlegenden Aspekte des Miteinanders der Akteurinnen und Akteure unserer sozialstaatlichen Strukturen in den Fokus gestellt. Der subsidiär ausgerichtete Sozialstaat und das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis als seine leistungsrechtliche Ausgestaltung bilden eine wesentliche Grundlage unseres Handelns. Staatliche Steuerung, die Interessen und Wahlrechte der Nutzerinnen und Nutzer sowie die Gestaltungsspielräume der Freien Wohlfahrtspflege müssen dabei immer wieder fachlich überprüft, weiterentwickelt und neu ausgehandelt werden. Im Sinne des Konsensprinzips als Kernelement der Arbeit des Deutschen Vereins ist ein tragfähiger Kompromiss ein hohes Gut. Das gilt gerade in unserer immer stärker polarisierten Gesellschaft. Wie gelingt der richtige Ausgleich zwischen fachpolitischen Erfordernissen und fiskalischen Rahmenbedingungen? Braucht es eine neue Balance der Verantwortung im föderalen Sozialstaat? Wie wird das Subsidiaritätsprinzip in der Praxis gelebt? Diese und weitere Fragenstellungen wurden mit Weggefährtinnen und Weggefährten von Michael Löher, vor allem der föderalen Ebenen und der Freien Wohlfahrtspflege, beleuchtet. Gemeinsam wurde diskutiert, was es braucht, um unser europaweit einzigartiges Sozialstaatssystem zu sichern und zukunftsfest zu machen.
Begrüßung
Franziska Weidinger, Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt, begrüßte als Hausherrin die rund 200 Gäste in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt. Sie würdigte die Arbeit des Deutschen Vereins und dankte Herrn Löher für sein Engagement als Vorstand. Sie betonte in ihrer Rede, es sei unser aller Aufgabe dafür Sorge zu tragen, dass der deutsche Sozialstaat ein stabiles Gerüst der solidarischen Fürsorge bleibe und zu erkennen, dass zwischen Systemkorrektur und Systembruch meist nur eine Gratwanderung liege.
Eröffnung
Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp erläuterte, dass das Motto "In der ‚Zeitenwende‘: Geteilte Verantwortung im subsidiären Sozialstaat – unter dieses Motto" die besondere Bedeutung des Sozialstaats in unserer von Krisen, Transformationserfordernissen und vielfältigen Herausforderungen geprägten Zeit in den Fokus rücke. Zum anderen komme in diesem Motto die besondere Verfasstheit des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. zum Ausdruck. Eine wesentliche Grundlage für einen gut aufgestellten Sozialstaat bilde ein gelingendes Zusammenspiel der föderalen Ebenen und der Freien Wohlfahrtspflege sowie der privatgewerblichen Anbieter sozialer Dienste und der Wissenschaft aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit, der Sozialpolitik und des Sozialrechts. Der Deutsche Verein bringe all diese Akteurinnen und Akteure als Mitglieder und wichtige Stakeholder unter seinem Dach zusammen.
Fachlicher Impuls
Prof. Dr. Georg Cremer, außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg i. Br., stimmte mit seinem fachlichen Impuls auf die Diskussion ein.
"Die Akteure des Sozialstaats müssen für seine Akzeptanz werben. Hilfreich ist, gerade in den Herausforderungen der Transformation, eine positive Perspektive zu entwickeln. Wir haben einen insgesamt gut ausgebauten Sozialstaat, aber er bleibt unter seinen Möglichkeiten, Menschen so zu unterstützten, dass sie Akteure ihres eigenen Lebens werden können. Es gibt große Potentiale, den Sozialstaat mit seinen vielfältigen Instrumenten stärker darauf auszurichten, dass Menschen ihre Potentiale entfalten können. Eine Sozialpolitik, die Menschen in den Unsicherheiten politischer Krisen und der ökologischen und digitalen Transformation schützen will, muss sich zugleich als Politik der Befähigung begreifen."
Diskussion
Gemeinsam an einem Strang ziehen für eine gute Balance der Verantwortungen im subsidiären Sozialstaat
Es diskutierent (v.l.n.r.): Franziska Weidinger, Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt; Dr. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts a.D.; Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Moderatorin Dörte Maack; Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik, Diakonie Deutschland; Verena Göppert, Ständige Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetags a.D.; Prof. Dr. Georg Cremer, außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg i. Br.
Abend der Begegnung
Im Anschluss an die Fachveranstaltung hatten die Gäste die Gelegenheit zum Austausch und persönlichen Gesprächen mit Michael Löher. In einem von Dörte Maack moderierten Gespräch würdigten die amtierende Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp und die ehemaligen Präsidenten Dr. Konrad Deufel, Wilhelm Schmidt und Johannes Fuchs die langjährige Tätigkeit von Vorstand Michael Löher.