FF 3.6 Beteiligung an (Sozial-)Planungsprozessen – Anspruch und Wirklichkeit

Zusammenfassung

Beteiligungsformate haben sich vom klassischen Government hin zu postmodernen Steuerungsformen der Governance entwickelt. Demokratische Beteiligung ist mehr als die Beteiligung an Wahlen. Beteiligung heißt Mitgestaltung der Gesellschaft, Einbringen von eigenen Sichtweisen in öffentliche Debatten, die Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen, Entwicklung von gemeinsamen Regelsystemen und Werten. Die Interessen und Bedarfe der Bürger/innen finden stärker Eingang in die demokratischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse. Angebote und (soziale) Dienstleistungen werden zunehmend bedarfsgerecht weiterentwickelt.

Florian Karnebogen, Stadt Eschweiler, stellte den StadtRaumMonitor und dessen Anwendung in der Stadt Eschweiler vor. Es handelt sich um ein beteiligungsorientiertes Bewertungsinstrument des Lebensumfeldes zur Förderung der Gesundheit und Lebensqualität. Stärken und Schwächen werden in 14 Lebensbereichen vor dem Hintergrund der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN analysiert und bewertet. Damit können die Lebensverhältnisse in Sozialräumen analysiert und Verbesserungsbedarfe erkannt werden.

Sabrina Pott, Stadt Stuttgart, berichtete über die Erfahrungen aus Stuttgart, insbesondere über die Chancen und Grenzen bei der Einbeziehung sogenannter stiller Gruppen. Klassische Beteiligungsformate greifen bei den vorgenannten nicht. Hier muss proaktiv auf die Betroffenen zugegangen und es müssen entsprechende Angebote in deren gewohntem Umfeld gemacht werden.

Gabriele Zumbrink, LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe, und Michael Werdershoven, LWL-Inklusionsamt Arbeit, vermittelten die Sichtweise eines höheren Kommunalverbandes zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen bei der Sozialplanung. Wohn- und Arbeitsangebote sollten in jeder Region angemessen – nicht gleich – vorgehalten werden. Eine Herausforderung sind die einfache Sprache und Beteiligungsformen. Hier müssen auch die Grenzen des Machbaren akzeptiert werden.

Jörg Marx, Stadt Mülheim an der Ruhr, betonte in seinem Vortrag die Notwendigkeit bürgerschaftlicher Netzwerke für eine resiliente Stadtgesellschaft. Wichtig sei es, Überzeugungsarbeit zu leisten und die Betroffenen nicht fürsorglich zu belagern. Ziel müsse nicht das Projekt, sondern die Verstetigung des Vorhabens sein.

Die Diskussion wurde von Prof. Dr. Jens Wurtzbacher, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, moderiert. Es wurde festgestellt, dass durch Beteiligung eine höhere Akzeptanz erzielt wird. Gelingensfaktoren seien der Einsatz ausreichender Ressourcen, eine zielgruppengerechte Ansprache, eine passende Beteiligungsmethode und ein kontinuierliches Engagement. Die Planungsabläufe müssen transparent gestaltet und zielgruppengerechte Partizipationsmöglichkeiten angeboten werden. Stakeholder und Planende müssten Inputs der Betroffenen absorbieren und in ihre Arbeit integrieren. Entscheidungsträger/innen müssten in ihren Beschlüssen auf die erarbeiteten Grundlagen eingehen. Grundsätzlich sei es nicht das Ziel, die Leute zu motivieren, sondern nach den Motiven zu suchen (was sind die Ziele und wen braucht es, um die Ziele durchzusetzen?). Unbedingt erforderlich sei es, ergebnisoffen zu agieren und Unsicherheiten zu akzeptieren. Gleichzeitig gelte es, Prozessrisiken zu minimieren. Stolpersteine seien im Denken von Politik und Verwaltung verankert, dass bei den Bürger/innen Partikularinteressen vor dem Gemeinwohl stehen. Andererseits fühlten sich die Bürger/innen nicht von der Politik und der Verwaltung verstanden und an Planungsprozessen nicht ausreichend beteiligt. Fazit: "Partizipation ist anstrengend, aber auch ansteckend.“

Mitwirkende

Moderation

  • Prof. Dr. Jens Wurtzbacher, Professur für Sozialpolitik an der Katholischen Hochschule Berlin


Vortrag/Diskussion

  • Florian Karnebogen, Sozialplaner der Stabsstelle Sozialplanung, Stadt Eschweiler
  • Jörg Marx, Sozialplaner der Stadt Mülheim an der Ruhr
  • Sabrina Pott, Sozialplanerin Sozialamt, Stadt Stuttgart
  • Michael Wedershoven, Abteilungsleiter im Inklusionsamt Arbeit, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster
  • Gabriele Zumbrink, Sachgebietsleiterin im Inklusionsamt Soziale Teilhabe - Angebote der Behindertenhilfe Region Mitte, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster

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