FF 1.11a Best interest of the child: Bestimmung des Kindeswohls im länderübergreifenden Kontext

Zusammenfassung

Nigel Cantwell, International Consultant on Child Protection Policies, geht aus von der Feststellung, dass der Begriff des "Best Interest of the child“ im deutschen Kindeswohl, in internationalen Konventionen und Abkommen Kinder betreffend zumeist unhinterfragt und unkritisch gesetzt wird. Sein Vortrag beschäftigte sich mit der Frage, wie dies im Menschenrechtskontext im Allgemeinen zu verorten ist und wie es in grenzüberschreitenden Kontexten der Sozialen Arbeit im Speziellen zu bestimmen ist.
Seinen Ursprung hat sowohl das "Best Interest“ wie auch der Begriff des "Child Welfare“ und der des deutschen "Kindeswohls“ in einer tendenziell paternalistischen Sichtweise, eine Handlung wird zum Wohle eines Minderjährigen vorgenommen; worin diese besteht, wird von außen, von Erwachsenen, von Eltern oder Fachkräften, bestimmt. In frühen Entwürfen der Kinderrechtekonvention findet der Begriff zunächst Verwendung als Kategorie von oberster Bedeutung ("paramount consideration“), allerdings ausschließlich für Rechtsfragen im Kontext des Familienrechts, nicht für die Bereiche Sozialpolitik oder aufenthaltsrechtliche Fragen. In der Fassung von 1979 wird er als wichtigste Überlegung ("primary consideration“) in allen Kindern betreffende Entscheidungen festgeschrieben – und flankiert durch das Recht des Kindes, gehört zu werden und seine Meinung einbringen zu können. Konkretisiert werden diese Bestimmungen in den Richtlinien für unbegleitete Flüchtlinge und in Richtlinien für die Unterbringung von Kindern außerhalb der Familie: Tenor ist hier die Vermeidung unwiderruflicher Entscheidungen.
Die Bestimmung des Best Interest in grenzüberschreitenden Fällen wird nötig in unterschiedlichsten Konstellationen: vor einem möglichen Umzug oder einer Trennung von der Familie, aber auch nach erfolgter Trennung, sowohl im Rahmen von Familienzusammenführung im Bereich der Migration als auch nach gescheiterten Platzierungen im Ausland mit der Perspektive einer eventuellen Rückkehr in die Familie.
In dem im Rahmen der Konferenz ausführlich diskutierten Bereich der Kindesentführung durch ein Elternteil wird die schnellstmögliche Rückführung an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Ramen des Haager Kindesentführungsübereinkommens a priori gesetzt als im besten Interesse des Kindes, ohne im Einzelfall dieses "Best Interest“ in der Tiefe zu bestimmen – lediglich negativ, wenn eine Rückkehr kein schwerwiegendes Risiko darstellt. Dies erfordert auf der Seite der beteiligten Sozialarbeiter/innen ein ausgeprägtes Fallverständnis und die Fähigkeit, den Kindern zu vermitteln, was passiert und warum es passiert – wenn es auch aus deren subjektiver Sicht in diesem Moment vielleicht gar nicht ihrem Willen entspricht – schlimmer noch, dieser vielleicht sogar explizit übergangen wird.
Nigel Cantwell betont, dass die Abwägung und Gewichtung zwischen Rechten des Kindes und dem Wohl des Kindes – egal ob im Bereich der Migration, des Familienkonflikts oder des Kinderschutzes – ein ständiges Spannungsfeld bleibt, in dem es keine eindeutige Lösung für alle Kinder gibt. Es sei dies auch keine ideologische Frage, sondern eine von individuellen Perspektiven für je einzelne Kinder und Situationen. Manchmal, richtig gemacht, ergibt sich ein produktiver Mehrwert aus den Aushandlungsprozessen und manchmal wird der Begriff des Wohls auch lediglich als billiger Ersatz für nicht gewährte Rechte benutzt. Sein immer noch paternalistischer Charakter wird deutlich, wenn man sich klarmacht, dass "Best Interest“ als Begriff selbstverständlich keine Rolle spielt bspw. in der UNBRK in der im Haager Erwachsenenschutzübereinkommen.

Mitwirkende

Impuls

  • Nigel Cantwell, International Consultant on Child Protection Policies (Schweiz), Genf

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