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 IM FOKUS
NDV 12/2021
auch „Interaktionen wissenschaftlicher Akteure mit Partnern außerhalb der Wissenschaft aus Gesellschaft, Kultur, Wirt- schaft und Politik“ (Wissenschaftsrat 2016, 5) meint.
An dieses erweiterte Verständnis von Transfer schließt die Ar- beit von s_inn an: Ausgehend von den Profilen der katho und EvH RWL adressieren die Aktivitäten des Netzwerks verschie- dene Träger und Einrichtungen aus dem Sozial- und Gesund- heitswesen, aber ebenso Akteur/innen aus dem Bildungs- und Kulturbereich, der Kommune sowie nicht zuletzt aus der (Zi- vil-)Gesellschaft, etwa Selbstvertretungen. Der Transfer ist da- bei eng mit dem Ziel verbunden, zu sozialen Veränderungen – zu sozialen Innovationen – beizutragen, durch die sich die Lebenssituation und Teilhabechancen von marginalisierten resp. vulnerablen Gruppen verbessern.
Der Fokus richtet sich dabei auf Menschen mit Beeinträchti- gungen, Menschen mit Migrations- bzw. Fluchtgeschichte, auf ältere Menschen (auch mit Versorgungs-/Pflegebedarfen) so- wie auf Menschen, die durch Armut oder Wohnungslosigkeit von Ausgrenzung bedroht oder bereits betroffen sind. Der Fo- kus auf diese Personengruppen ergibt sich wiederum aus den vier gesellschaftlichen Herausforderungen, an denen sich das Transfernetzwerk bei seiner Arbeit vornehmlich orientiert. Die- se sind:
▶ dieGestaltungeineralterndenGesellschaft,
▶ dieInklusionvonMenschenmitBehinderung,
▶ die Integration von Menschen mit Migrations- bzw. Flucht-
geschichte sowie
▶ die Bewältigung zunehmender gesellschaftlicher Segrega-
tion.
3. Verständnis von Sozialer Innovation: Mehr als veränderte Praktiken
Mit dem erwähnten Ziel, die Situation gesellschaftlich be- nachteiligter Personengruppen zu verbessern, wurde bereits die Werteorientierung deutlich, die dem Verständnis sozialer Innovationen zugrunde liegt: Die Veränderungen werden da- ran gemessen, zu der Verwirklichung einer gleichberechtigten, menschenrechtsbasierten Teilhabe und darüber hinaus zu so- zialer Gerechtigkeit beizutragen.
Welche konkreteren Form(en) von Veränderungen sind dabei aber im Blick? Wichtig ist, dass das Transfernetzwerk hier von einem vergleichsweise breiten Spektrum ausgeht. In einschlä- gigen Definitionen sozialer Innovationen etwa von Jürgen Ho- waldt und Michael Schwarz (2010) wird der Fokus auf „sicht- bare“ Veränderungen sozialer Praktiken gelegt – auf eine „von bestimmten Akteuren [...] ausgehende intentionale [...] Neu- konfiguration sozialer Praktiken in bestimmten Handlungs-
feldern“ (Howaldt/Schwarz 2010, 89). Das Begriffsverständnis von s_inn umfasst hingegen auch Veränderungen von Haltun- gen und Einstellungen sowie von Institutionen und Strukturen.
Diese weiter gefasste Definition bedeutet, konkrete Unterstüt- zungsangebote oder lokale Versorgungsstrukturen (bspw. für wohnunglose Menschen), professionelle Haltungen von Be- schäftigten aus dem Sozial- und Gesundheitswesen (bspw. der Pflege), aber auch Einstellungen von Bürger/innen (bspw. Be- wohner/innen eines Quartiers) in den Blick zu nehmen. In Be- zug auf die gesellschaftliche Herausforderung der Integration geflüchteter Menschen fanden bei s_inn etwa folgende Aktivi- täten statt: der Aufbau einer Unabhängigen Beschwerde- und Informationsstelle (UBIF) als neues Angebot für die Zielgrup- pe, die Analyse von Diskriminierungserfahrungen geflüchteter Menschen (bspw. in Unterkünften oder bei Kontakten mit Be- hörden) sowie verschiedene Veranstaltungen (bspw. Fachta- gungen und Workshops) zu möglichen Strategien gegen ras- sistische Einstellungen, Diskurse und Strukturen. Mit dieser breiteren Perspektive auf nötige Veränderungsprozesse sollen die komplexen und oftmals miteinander verschränkten Ursa- chen gesellschaftlicher Ausgrenzung angemessen berücksich- tigt werden.
4. Bidirektionalität und Partizipation als wichtige Querschnittsaufgaben von s_inn
Wichtig ist, dass solche Veränderungsprozesse nicht von den beiden Hochschulen resp. dem Transfernetzwerk vorgege- ben werden, sondern das Ergebnis eines wechselseitigen Aus- tauschs mit Akteur/innen aus dem Sozial- und Gesundheits- wesen oder der (Zivil-)Gesellschaft sind. Hierbei wird großer Wert auf Partizipation, d.h. eine aktive Beteiligung der jewei- ligen „außerhochschulischen“ Partner/innen, gelegt. Gerade auch sog. Betroffene – wie bspw. geflüchtete oder wohnungs- lose Menschen – sollen sich als Expert/innen in eigener Sache einbringen und Einfluss auf die Gewichtung von Themen oder die Gestaltung konkreter Veränderungen nehmen können.
Für die Arbeit von s_inn bedeutet dieser Anspruch, ein brei- tes Spektrum an auch innovativen Veranstaltungs- und Aus- tauschformaten zu entwickeln und durchzuführen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Formaten, die Räume für einen Dialog bzw. für Interaktionen zwischen verschiedenen Pers- pektiven und Wissensbeständen – forschungsbasiertem Wis- sen sowie professionellem und lebensweltlichem Erfahrungs- wissen – öffnen und die sich dahingehend von klassischen, eher unidirektionalen Fachvorträgen/-tagungen unterschei- den. Weil das Transfernetzwerk sehr heterogene Akteursgrup- pen adressiert und in den Austausch einbinden möchte, geht es zugleich um die Umsetzung einer möglichst zielgruppenori-
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