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 IM FOKUS
NDV 12/2021
Dieses Vorhaben setzten die Träger der Eingliederungshilfe und die Vereinigungen der Leistungserbringer mit zwei Klau- seln ihrer „Übergangsvereinbarung” um, die im Folgenden dargestellt werden.
3.1 Entgelt für Nahrungsmittel und Hygieneartikel
Die ersten der beiden Klauseln hat das Entgelt für Nahrungs- mittel und Hygieneartikel, das die Leistungserbringer von den Leistungsberechtigten verlangen, zum Gegenstand. § 6 Abs. 11 der Übergangsvereinbarung für Baden-Württemberg lautet:
lassen, wie ihnen unter der Geltung der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zur Verfügung stand. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Barbetrag und der Bekleidungspau- schale gemäß § 27b Abs. 2 SGB XII.11 In Baden-Württemberg legte man gar den Barbetrag aus dem Jahr 2019 zugrunde, der 114,48 € betrug. Der Regelsatz, den Leistungsberechtigte in bisherigen stationären Einrichtungen erhalten, die seit dem 1. Januar 2020 durch § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII umschrieben werden,12 betrug im Jahr 2020 389,– € monatlich (Regelbedarfsstufe 2). Von diesem Betrag war nach der Über- gangsvereinbarung die Summe aus Barbetrag 2019 (114,48 €) und Bekleidungspauschale, die hier mit 23,– € angenommen wird, also der Betrag 137,48 € abzuziehen. Der Rest (389,– € – 137,48 € = 251,52 €) soll von den Leistungsberechtigten an die Leistungserbringer gezahlt werden. Dabei wurde jedoch nicht bedacht, dass eine solche Zahlungsschuld einen Anspruch voraussetzt, den die Vertragspartner der „Übergangsvereinba- rung” nicht schaffen konnten.
3.2 Mehrbedarfszuschläge
Viele Leistungsberechtigte, die in Wohnformen leben, die § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII unterfallen, ha- ben neben dem Anspruch auf den Regelsatz auch einen An- spruch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 30 SGB XII. Dies ist Gegenstand der zweiten Klausel, die für die „budgetneut- rale Umstellung” eine zentrale Rolle spielt. Voraussetzungen des Anspruchs auf den Zuschlag nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sind eine volle Erwerbsminderung13 und die Feststellung ei- ner Schwerbehinderung und des Merkzeichens G. Der Mehr- bedarfszuschlag beträgt pauschal 17 % der maßgebenden Re- gelbedarfsstufe (hier Stufe 2), also 66,13 € im Jahr 2020 und 68,17 € im Jahr 2021. In Baden-Württemberg verständigten sich die Träger der Eingliederungshilfe und die Vereinigungen der Leistungserbringer darauf, diesen Betrag abzuschöpfen.
 „Die budgetneutrale Umstellung erfolgt nach folgendem Rechenweg:
Gesamtentgelt (Grundpauschale, Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag jeweils multipliziert mit 30,42 Tage) zzgl. Barbetrag + Bekleidungspauschale (jeweils Stand 31.12.2019) abzgl. angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung für Wohnraum nach § 42a SGB XII abzgl. Regelsatz Regelbedarfsstufe 2 ergibt Monatsbetrag Ein- gliederungshilfeleistung (inklusive Aufwendungen für Wohnraum oberhalb der Angemessenheitsgrenze nach §42a Absatz6 SGBXII im Sinne des §113 Absatz5 SGB IX) am 01.01.2020 dividiert durch 30,42 Tage ergibt neuen Tagessatz Eingliederungshilfeleistung”.10
Die Übergangsvereinbarung sieht vor, dass die Leistungser- bringer davon absehen, die Einkaufskosten der Güter, die sie den Leistungsberechtigten zur Verfügung stellen, zu ermitteln – was aber wegen § 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG geboten ist. Stattdes- sen gehen sie von dem Betrag aus, der den Leistungsberech- tigten nach altem Recht monatlich zur Verfügung stand: Leis- tungserbringer und Träger der Eingliederungshilfe verständig- ten sich darauf, den Leistungsberechtigten nur so viel Geld zu
10 Die Übergangsvereinbarung für Baden-Württemberg ist hier veröffentlicht: https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/umsetzungsstand/2019-06-ueber- gangsvereinbarung-bthg-baden-wuerttemberg.pdf (19. Juli 2021).
11 Zum 1. Januar 2020 trat § 27b Abs. 4 SGB XII in Kraft. Danach setzen die Sozialhilfeträger die Bekleidungspauschale fest. Meist werden Beträge zwischen
20,– und 25,– € festgesetzt. Beispiele: Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald: 23,– €, Bezirk Oberfranken: 22,– €. Soweit dies dem Autor bekannt ist, existiert keine bundesweite Übersicht, die aber von großem Interesse wäre. Denn die Höhe der Bekleidungspauschale ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht zu erkennen, dass sie nach Maßgabe der einschlägigen Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) erfolgen würde. Danach gilt: „Zur Konkretisie- rung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen [...]“ (Rdnr. 139). Die Regelbedarfe errechnen sich nach dem Statistikmodell und setzen sich aus einzelnen Verbrauchspositionen von Haushalten des untersten Einkommensbereiches zusammen. Im Jahr 2020 betrug die Teilposition für Bekleidung und Schuhe in der Regelbedarfsstufe 1 37,86 € und in der Regelbedarfsstufe 2 34,09 € (Schwabe, Bernd-Günter: Einzelbeträge aus den Regelbedarfsstufen ab 1.1.2020: Leistungsfälle nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 2 AsylbLG, ZfF 2020, 1–20 [3]). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass die Bekleidungspauschalen nach § 27b Abs. 4 SGB XII bundesweit in einem Maß zu niedrig festgesetzt sind, das gegen die Verfassung verstoßen dürfte.
12 § 8 Abs. 1 Satz 2 RBEG a.F. entspricht § 8 Nr. 2 Buchstabe b RBEG i.d.F. v. 9. Dezember 2020; dazu im Einzelnen: Rosenow, Roland: Besondere Regelungen im SGB XII für sogenannte besondere Wohnformen – Teil I: Durchbrechung der Trennung der Leistungen der Eingliederungshilfe im SGB XII, Beitrag A26-2021 unter www.reha-recht.de; Besondere Regelungen im SGB XII für sogenannte besondere Wohnformen – Teil II: Folgen für WBVG-Verträge, Beitrag A27-2021 unter www.reha-recht.de.
13 Diese ist i.d.R. zugleich Voraussetzung für den Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 3. oder 4. Kap. des SGB XII für Volljährige, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben.
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