Page 10 - Nachrichtendienst NDV 12/2021
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 IM FOKUS
NDV 12/2021
möglicht gemeinsame, sozialräumliche Arbeit. Das Sub- sidiaritätsprinzip entlässt die Jugendämter nicht aus der (Steuerungs-)Verantwortung, im Gegenteil, es erfordert ein starkes Bewusstsein für die Sicherung der Prozess- und Er- gebnisqualität bei den Leistungserbringern.
Und dann gibt es noch das oben skizzierte dicke Brett „Inklu- sive Jugendhilfe“. Die sukzessive Übernahme von Eingliede- rungsleistungen unter das Dach der Jugendhilfe hat mit dem Inkrafttreten des KJSG bereits begonnen:
▶ DieSchnittstellenzwischenJugend-undSozialämtern müssen jetzt bereinigt werden.
▶ ImGesamt-undTeilhabeplanverfahrenwirddasJugend- amt einbezogen, soweit dies nicht zu Verzögerungen führt; im Sinne der Leistungsberechtigten ist zu hoffen, dass von dieser Hintertür nicht oft Gebrauch gemacht wird.
▶ DerZuständigkeitsübergangmuss„nahtlos“geregeltwer- den.
▶ Verfahrenslots/innen dürfen schon jetzt, müssen aber spä- testens 2024 eingesetzt werden.
▶ SelbstorganisierteZusammenschlüsse/Interessenverbän- de müssen rechtzeitig und angemessen eingebunden wer- den, Leistungsberechtigte müssen auf die Ergänzende un- abhängige Teilhabeberatung (EUTB) hingewiesen werden.
▶ Und das Jugendamt ist einer der Rehabilitationsträger, der von Antragstellenden angesprochen werden kann; was unter anderem mit sich bringt, dass es nach § 14 Abs. 2 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger die Kos- ten trägt, sofern es nicht binnen einer Zwei-Wochenfrist den Antrag prüft und ggf. an den zuständigen Rehabilita- tionsträger begründet weiterleitet. Die Zwei-Wochenfrist ist für viele Jugendämter angesichts der Personalsituation und der Komplexität mancher Fälle eine Illusion und kaum zu halten.
Der letzte Punkt zeigt: Dieses Brett ist nicht nur dick, sondern kann auch ganz schön teuer werden, wenn Strukturen und Prozesse nicht sehr zügig angepasst werden.
Ab 2024 sind dann die Verfahrenslots/innen einzusetzen, und spätestens ab 2028 sind alle Eingliederungsleistungen unter dem Dach des Jugendamtes angesiedelt. Aber – das mag viel- leicht ein Trost sein – der allergrößte Teil der Fälle in der Ein- gliederungshilfe sind Entwicklungsretardierungen. Hier geht es um Frühförderung und Bindungsarbeit; und darin sind Ju- gendämter traditionell Profis.
3. Die „Große Lösung“ kann nur in kleinen Schritten gelingen.
Das inklusive Jugendamt ist vom Gesetzgeber in Ausbaustu- fen gedacht und auch nur so zu erreichen. Um sie umzuset- zen, sollte möglichst schnell mit dem Abbau der Versäulung begonnen werden. Im Sinne unseres Organisationsverständ- nisses sind stets vier organisationale Dimensionen zu betrach- ten: Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Organisations- kultur und Steuerung.
Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigen wir anhand ei- ner Roadmap. Zielbild 2030 ist hier stets ein „Haus der Ju- gend“, offen und zuständig für alle jungen Menschen und für all ihre Belange. Und zwar ein digitales Haus der Jugend.
3.1 Die Große Lösung in drei Schritten und vier Dimensionen. Eine Roadmap für Jugendamtslei- tungen.
Schritt 1: Ein Amt.
Aufbauorganisation: Legen Sie Jugendamt und die Organisa- tionseinheiten der Eingliederungsleistungen für junge Men- schen in eine Hand, mit einer gemeinsamen Leitung und ei- ner gemeinsamen politischen Vertretung. Analysieren Sie die Schnittstellen zwischen Jugendhilfe und Eingliederungshilfe und bereinigen Sie stetige Reibungspunkte. Etablieren Sie Ver- fahrenslots/innen nach § 10b SGB VIII.
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