Page 41 - NDV 08/2021
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 NDV 8/2021 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN Entgeltfindung, zum einen der inter- ne Vergleich und zum anderen der ex- terne. Intern bedeutet, dass die Ge- stehungskosten nachvollziehbar dar- gelegt sein müssen. Extern bedeutet, dass die Entgelte bei einem Vergleich mit denen anderer Einrichtungen an- gemessen erscheinen (Telscher 2020, Rdnr. 33). Ein externer Vergleich ist bei Jugendhilfeeinrichtungen in der Pra- xis schwieriger als bspw. bei Pflege- einrichtungen, da erstere unterschied- lichere Leistungsangebote haben, die schwerer zu vergleichen sind. In jedem Fall muss die Höhe der Entgelte so be- messen werden, dass die Einrichtung die vereinbarten Leistungen auch finan- zieren kann (Schindler/Münder 2019, Rdnr. 13). Es gelten die Grundsätze der Leistungsfähigkeit, Wirtschaflich- keit und Sparsamkeit (vgl. § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). 6. In anderen Gebieten des Sozialrechts ist die Bedeutung von Tarifverein- barungen ausdrücklich geregelt: Zum einensieht§84Abs.2Satz5SGBXIin Bezug auf die Vergütungen im Pflege- versicherungsrecht vor, dass die Be- zahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütun- gen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelun- gen nicht als unwirtschaflich abgelehnt werden kann. Eine entsprechende Be- zahlung ist auf Verlangen nachzuweisen (§84Abs.7Satz1und2SGBXI).1Nach Satz 2 der Vorschrif bedarf es für eine darüber hinausgehende Bezahlung eines sachlichen Grundes. Im Sozial- hilferecht bestimmt § 75 Abs. 2 Satz 13 SGB XII, dass tariflich vereinbarte Ver- gütungen sowie entsprechende Ver- gütungen nach kirchlichen Arbeits- rechtsregelungen grundsätzlich als wirtschaflich anzusehen sind, auch so- weit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt. Da- durch wird explizit eine Ausnahme von § 75 Abs. 2 Satz 10 SGB XII gemacht, der festlegt, dass die durch den Leistungs- erbringer geforderte Vergütung dann wirtschaflich angemessen ist, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung ver- gleichbarer Leistungserbringer im unte- ren Drittel liegt. Der Gesetzgeber ver- steht diese Norm nicht als Neuregelung, sondern als Klarstellung (vgl. BT-Drucks. 18/9522, S. 339). Schon vor Inkraftreten der Regelung am 1. Januar 2020 hatte die Rechtsprechung die Wirtschaflich- keit tariflich vereinbarter Vergütungen grundsätzlich bejaht (Krohn 2020, Rdnr. 49 m.w.N.). 7. Zu Vergütungsvereinbarungen im Be- reich der Sozialhilfe hat das Bundes- sozialgericht wie folgt geurteilt: „Zahlt eine Einrichtung Gehälter nach Tarif- vertrag (bzw. AVR) oder sonstige orts- übliche Arbeitsvergütungen, kann ihr regelmäßig nicht entgegengehalten werden, dass andere Träger geringe- re Entgelte zahlen; die Einhaltung der ‚Tarifbindung’ und die Zahlung ortsüb- licher Gehälter sind grundsätzlich als wirtschaflich angemessen zu werten und genügen insoweit den Grundsätzen einer wirtschaflichen Betriebsführung.“ In der Einhaltung der Tarifbindung liege ein nachvollziehbarer Aufwand der Ein- richtung, unabhängig davon, ob andere Einrichtungen eine günstigere Kosten- struktur aufwiesen (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015, B 8 SO 21/14 R). 8. In Bezug auf die Festsetzung der Ver- gütung stationärer Pflegeleistungen urteilte das Bundessozialgericht: „Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei immer als wirtschaflich an- gemessen zu werten“ (BSG, Urteil vom 29. Januar 2009, B 3 P 7/08 R). Sie recht- fertige eine höhere Vergütungsforde- rung (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2009, B 3 P 7/08 R). Zwar seien auch die Vergütungsforderungen tarifgebunde- ner Leistungserbringer dem externen Vergleich mit den Vergütungen anderer Leistungserbringer zu unterziehen, je- doch sei der Bedeutung der Tarifreiheit dadurch Rechnung zu tragen, dass nur in Ausnahmefällen Personalaufwen- dungen gekürzt werden dürfen, urteilt das Bundessozialgericht in einer weite- ren Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2013, B 3 P 2/12 R). Der Sinn be- stehe vor allem darin, den in der Pflege tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmern ein in ihrem Einsatz für kran- ke und behinderte Mitmenschen an- gemessenes Arbeitsentgelt zu gewähr- leisten und zu verhindern, dass der „Preiskampf“ zwischen den verschie- denen Trägern von Pflegediensten und Pflegeheimen letztlich zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Ent- gelte der Pflegekräfe und der Quali- tät der Leistungen führe. Zudem solle der Anreiz zur Tariflucht verringert wer- den. Allerdings bedeute die Vorgabe der leistungsgerechten Vergütung eine Absage an jegliche Form der Kosten- erstattung. Daher sei auch bei tarif- gebundenen Einrichtungen im Rahmen einer Gesamtbewertung zu prüfen, ob der von der Einrichtung geforderte Ver- gütungssatz im Vergleich mit günstige- ren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leis- tungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand als insgesamt angemessen und leistungs- gerecht anzusehen sei (vgl. BSG, Urteil vom16.Mai2013,B3P2/12R). Der besonderen Bedeutung der Tarif- bindung für die Bemessung der Pflege- vergütung sei aber dadurch Rech- nung zu tragen, dass eine Kürzung von Personalaufwendungen auf Ausnahme- fälle zu beschränken sei. Eine Grenze sei dort zu ziehen, wo im Einzelfall die Höhe der vereinbarten Gehälter die von anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteige 1 s handelt sich um eine gesetzliche Klarstellung der Wirtschaflichkeit von Tariflöhnen bei Pflegevergütungsverhandlungen einschließlich einer Überprü- fungsmöglichkeit der Kostenträger zur tatsächlichen tariflichen Bezahlung der Pflegekräfe, vgl. BT-Drucks. 18/2909, S. 37. 425 


































































































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