Page 40 - NDV 08/2021
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 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN NDV 8/2021 Zur Berücksichtigung einer Tarif- bindung bei Entgeltvereinbarungen gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII Gutachten vom 25. Februar 2021 – G 2/21 1) Tariflich vereinbarte Vergütungen sind im Rahmen von Entgeltverein- barungen i.S.d. §  78b Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII grundsätzlich als wirt- schaflich anzusehen. Sind über- durchschnittlich hohe Personalauf- wendungen maßgeblich auf die Häu- fung individueller tarifrechtlicher Entgeltsteigerungstatbestände wie Familienstand, Kinderanzahl oder Be- schäfigungsdauer zurückzuführen, scheidet eine Kürzung der plausiblen Personalaufwendungen im Wege des externen Vergleiches aus. 2) Eine Grenze der Berücksichtigung der Tarifbindung kann allen- falls dort bestehen, wo im Einzel- fall die Höhe der vereinbarten Löhne und Gehälter die von ande- ren Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteigt und es dafür am Markt keine sach- lichen Gründe gibt. Überdurch- schnittliche Entgeltzahlungen be- dürfen allerdings nicht regelhaf einer besonderen Rechtfertigung, um in voller Höhe berücksichtigt zu werden. Nur im Fall eines ext- remen Ausreißers ist eine Ange- messenheitsprüfung durchzufüh- ren, bei der sachliche Gründe für die Lohn- bzw. Gehaltshöhe darzu- legen sind. 3) Ein sachlicher Grund kann etwa darin liegen, dass eine bessere Be- zahlung erforderlich ist, um ge- eignete Fachkräfe zu gewinnen oder zu halten. 4) Eine Klarstellung durch den Ge- setzgeber in Bezug auf die grund- sätzliche Wirtschaflichkeit tarif- vertraglich vereinbarter Vergü- tungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Ar- beitsrechtsregelungen, wie sie im SGB XI und SGB XII bereits erfolgt ist, sollte auch im SGB VIII erfol- gen. –dn– Der Deutsche Verein hat die An- frage eines Mitglieds, das öfentlicher Träger der Jugendhilfe ist, zum Anlass genommen, folgendes Gutachten zu er- stellen: 1. Gegenstand des vorliegenden Gut- achtens ist die Frage der Berück- sichtigung einer Bindung an Tariflöhne bei Entgeltvereinbarungen gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 78c Abs. 2 SGB VIII. Hintergrund der Fragestellung ist eine Fallkonstellation, in der die Tariflöhne, die aufgrund eines in einer Einrichtung geltenden Tarifvertrags gezahlt wer- den, höher sind als die Entgelte, die für vergleichbare Tätigkeiten nach dem TVöD gezahlt werden. 2. Der Deutsche Verein erstellt satzungs- gemäß Gutachten zu allgemeinen Grundsatzfragen des Sozialrechts, ohne zur Bearbeitung von Einzelfällen oder landesrechtlichen Regelungen Stellung zu nehmen. Einzelne Vereinbarungen auf Landesebene werden lediglich bei- spielhaf genannt. 3. Für die Erbringung der in §78a Abs. 1 SGB VIII genannten (teil-)sta- tionären Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe schließen die Träger der öf- fentlichen Jugendhilfe mit dem Trä- ger der Einrichtung oder seinem Ver- band Leistungs-, Entgelt- und Quali- tätsentwicklungsvereinbarungen ab. Das Vorliegen dieser Vereinbarungen ist grundsätzlich Voraussetzung für die Übernahme des Entgelts, das der Leistungsberechtigte für die Leistung zu entrichten hat (vgl. § 78b Abs. 1 SGB VIII). 4. Entgeltvereinbarungen definiert das Gesetz als diferenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebs- notwendigen Investitionen (vgl. § 78b Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Grundlage der Ent- geltvereinbarung sind die in der Leis- tungs- und der Qualitätsentwicklungs- vereinbarung festgelegten Leistungs- und Qualitätsmerkmale. Die Entgelte müssen leistungsgerecht sein (§ 78c Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII). Die tat- sächlichen Gestehungskosten sind demnach nicht maßgeblich (Telscher 2020, Rdnr. 14; Gottlieb 2018, Rdnr. 10; Wiesner 2015, Rdnr. 11). Von daher kann zunächst einmal nicht unmittel- bar darauf geschlossen werden, dass tarifvertraglich vereinbarte Entgelte, die direkt nur die Vertragsparteien bin- den, auch von den Trägern der öfentli- chen Jugendhilfe bei den Entgeltverein- barungen zu berücksichtigen sind. 5. Dem Einrichtungsträger muss es möglich sein, die vertraglich verein- barten Leistungen unter Beachtung der Qualitätsstandards kostendeckend an- zubieten. Die Entgelte müssen bei spar- samer und wirtschaflicher Betriebs- führung eine bedarfsgerechte Hilfe er- möglichen (Wiesner 2015, Rdnr. 12). Es bestehen verschiedene Methoden der 424 


































































































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