Page 30 - NDV 08/2021
P. 30

 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN NDV 8/2021 punkt (in aller Regel zum Monatsende), kann nach § 24 Abs. 4 SGB II ein Darlehen gewährt werden, das nach § 42a SGB II zurückzuführen ist. Nach Praxiserfahrungen wird eine Arbeits- aufnahme durch den gewählten Zeitpunkt der Einkommens- anrechnung erschwert. Die geltende Rechtslage verursacht zudem einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand. Letzt- genannte Problematik entsteht auch bei erstmaliger Ge- währung einer Erwerbsminderungs- oder Altersrente. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich für die Anrechnung von Ein- kommen erst im Folgemonat aus. ▶ SchnittstellezumKindergeld Problemstellung Der Deutsche Verein sieht neben der Anrechnung des Kinder- geldes im SGB II an der Schnittstelle zum Unterhaltsrecht nach dem BGB14 insbesondere Handlungsbedarf bei Rück- forderungen von Kindergeld. Kommt es zu einer Überzahlung von Kindergeld, fordert die Familienkasse das Kindergeld von den Kindergeldberechtigten auch dann zurück, wenn das zu Unrecht gewährte Kindergeld zuvor als Einkommen bedarfsmindernd auf SGB II- oder SGB XII-Leistungen angerechnet wurde. Die Anrechnung kann nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte nicht rückab- gewickelt werden, weil es allein auf den tatsächlichen Zufluss des Kindergeldes beim Hilfeempfänger ankommt.15 Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein fordert, eine angemessene Lösung zu fin- den, um eine Doppelbelastung der Leistungsberechtigten zu vermeiden. ▶ Einkommensanrechnung/Freibetragsregelung, § 11b Abs. 2, 3 SGB II Problemdarstellung 2019 waren durchschnittlich ca. 1. Mio. bzw. 26,1 % der er- werbsfähigen Leistungsberechtigten erwerbstätig. Darunter hatten 52,4 % ein sozialversicherungspflichtiges Arbeits- verhältnis.16 Lediglich etwa ein Drittel davon war geringfügig beschäfigt. Nach §2 Abs.1 SGBII müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürfigkeit ausschöpfen. Zu den Auf- gaben der Jobcenter gehört es daher, Möglichkeiten zur Er- zielung eines höheren Erwerbseinkommens durch Aus- weitung der wöchentlichen Arbeitszeit, durch Qualifizierung, durch Aufstieg oder auch durch den Wechsel der Arbeitsstelle voranzutreiben. § 11b Abs. 2, 3 SGB II sieht Freibeträge vom Erwerbsein- kommen vor. Diese Beträge setzen jedoch keine ausreichend starken finanziellen Anreize zur Ausweitung der Erwerbstätig- keit, weil nur die ersten 100,– € komplett anrechnungsfrei blei- ben und darüber hinausgehendes Einkommen zu 80 % (101,– bis 1.000,– €) bzw. zu 90 % bei darüber hinausgehendem Ein- kommen17 angerechnet werden. Oberhalb von 1.200,– € bzw. 1.500,– € wird zu 100 % angerechnet. Aus rein finanzieller Sicht kann es in bestimmten Konstellationen im Sinne der Optimie- rung des Gesamteinkommens der Bedarfsgemeinschaf vor- teilhafer sein, es bei einer Teilzeittätigkeit oder einer gering- fügigen Beschäfigung zu belassen. Eine Weiterentwicklung der Regelung ist angezeigt, um die Aufnahme bzw. Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Leistungsberechtigten zu befördern. In der Literatur wird gefordert, die Regelungen zur Anrechnung von Erwerbseinkommen grundlegend zu überarbeiten, höhe- re Absetzbeträge zuzulassen, aber dafür ggf. den Grund-Ab- setzbetrag von 100,–€ pro Monat zu reduzieren oder evtl. sogar ganz wegfallen zu lassen.18 Dem stünde jedoch ent- gegen, dass dieser Absetzbetrag auch eine pauschalierende Funktion für ansonsten verwaltungsaufwendig zu be- rechnende und abzusetzende Steuern und Abgaben hat. Für 14 Siehe dazu September 2019, NDV 2019, 449 f. Der Deutsche Verein setzt sich darüber hinaus intensiv mit einer konzeptionellen Neuausrichtung der monetären Absicherung von Kindern und Familien, der „sog. Kindergrundsicherung“ auseinander: mpfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetärer Unterstützung von Familien und Kindern (DV 3/16) vom 11. September 2019, NDV 2019, 449 f. 15 Vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24. April 2013, L 6 AS 376/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Dezember 2013, L 6 AS 926/13 B. 16 Unter den Leistungsberechtigten mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäfigungsverhältnis stand nur gut ein Fünfel in einem Vollzeitarbeitsverhält- nis, die übrigen waren in einem Teilzeitverhältnis. 17 In der inkommensspanne von 1.001,– bis 1.200,– €/1.500,– € bei einem minderjährigen Kind. 18 ifo Institut für Wirtschafsforschung München, Forschungsbericht 98/2019: „Anreize für rwerbstätige zum Austritt aus dem Arbeitslosengeld-II-System und ihre Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialversicherungssystem“, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Forschungsbericht 9/2018: „ rwerbstätigkeitimunteren inkommensbereichstärken–AnsätzezurReformvonArbeitslosengeldII,WohngeldundKinderzuschlag“, ntschließungdes Bundesrates aus dem Jahr 2020, BR-Drucks. 203/20: „Für erwerbstätige Leistungsbeziehende in der Grundsicherung für Arbeitsuchende muss mehr inkommen ankommen – Mehr rwerbsbeteiligung durch Anpassung der Hinzuverdienstregeln bei inkommen aus rwerbstätigkeit im SGB II“. 414 mpfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetärer Unterstützung von Familien und Kindern (DV 3/16) vom 11. 


































































































   28   29   30   31   32