Page 29 - NDV 08/2021
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 NDV 8/2021 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN sonderen Lebenslagen (z. B. mit Erziehungs- und Pflegeauf- gaben oder mit Behinderungen und länger andauernden Er- krankungen) ist studienbegleitendes Jobben im bedarfs- deckenden Ausmaß sehr häufig nicht möglich. In derartigen Konstellationen droht der Studienabbruch, da in Härtefällen Leistungen für Studierende nach § 27 Abs. 3 SGB II lediglich auf Darlehensbasis erbracht werden können. Auch erhalten Studierende im Urlaubssemester kein BAföG7 und können nach der Rechtsprechung8 nur SGB II-Leistungen beziehen, solange keine Studienleistungen erbracht werden.9 Lösungsvorschlag Die Sicherung des Lebensunterhalts von Auszubildenden und Studierenden muss über das System der Ausbildungs- förderung nach dem BAföG und dem SGB III bedarfsdeckend ausgestaltet werden.10 Bis dies der Fall ist,11 empfiehlt der Deutsche Verein, die Regelungen im SGB II für einen er- gänzenden Leistungsbezug einheitlich für alle Ausbildungs- formen auszugestalten. Dies muss auch für Studierende gel- ten, die nicht bei ihren Eltern wohnen und insbesondere auf- grund besonderer Lebenslagen nur eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten haben. 2. Zu berücksichtigendes Einkommen ▶ HorizontaleEinkommensanrechnung,§9Abs.2Satz3 SGB II Problemdarstellung Die Verteilung des verfügbaren Einkommens innerhalb einer Bedarfsgemeinschaf nach der – horizontalen – Bedarfs- anteilsmethode ist mit hohem Verwaltungsaufwand ver- bunden und für die Leistungsberechtigten schwer nach- vollziehbar. Nach der derzeitigen Rechtslage in §9 Abs.2 Satz 3 SGB II ist das Einkommen so zu verteilen, dass jede Person der Bedarfsgemeinschaf im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaf als hilfebedürfig gilt (horizontale Einkommensanrechnung). Demgegenüber wäre eine Anwendung der vertikalen Ein- kommensanrechnungsmethode vorteilhaf. Dies ist eine lang- jährige Forderung des Deutschen Vereins.12 Danach wird das Einkommen zunächst auf den Bedarf des/der Einkommens- beziehenden angerechnet und nur übersteigende Zuflüsse auf die Bedarfe der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaf verteilt. Durch diese Methode würde sich der Aufwand bei Rückforderungen erheblich verringern, da sich die Anzahl der notwendigen Individualisierungen bei Erstattungsforderungen reduzieren würde. Die Verfahren würden insgesamt verein- facht. Die Bescheide würden für die Leistungsberechtigten außerdem verständlicher, da die Berechnung nachvollzieh- barer wäre. Die vertikale Einkommensanrechnung würde jedoch be- wirken, dass die/der Einkommensbeziehende mit höheren Einkünfen mangels Hilfebedürfigkeit keine Eingliederungs- leistungen nach dem SGB II erhalten würde (etwa im Hinblick auf die Aufnahme einer besser bezahlten oder die Bei- behaltung der Erwerbstätigkeit). Dieser Folge kann mit einer gesetzlichen Fiktion begegnet werden. Dadurch könnte die er- werbsfähige Person weiterhin Eingliederungsleistungen er- halten. Mit der Fiktion13 würde auch erreicht, dass Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mangels Hilfebedürfigkeit der erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfs- gemeinschaf anderenfalls in den Rechtskreis des SGB XII wechseln würden, als Sozialgeldempfänger/innen im SGB II verbleiben. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich für die vertikale Einkommens- anrechnung aus, verbunden mit einer Fiktionsregelung für da- durch nicht hilfebedürfige Bedarfsgemeinschafsmitglieder. ▶ Zuflussprinzip, § 11 Abs. 2, 3 SGB II Problemdarstellung Nach § 11 Abs. 2 SGB II sind laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Erfolgt bei einer Arbeitsaufnahme die Auszahlung des Verdienstes nicht am ersten Tag des Monats, sondern zu einem späteren Zeit- 7 8 9 10 11 12 13 Das Studium wird nicht im erforderlichen Maße betrieben und daher besteht kein BAföG-Anspruch (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG). Vgl. BSG (Fußn. 6); siehe Arbeitshilfe des Deutschen Vereins zur xistenzsicherung von Auszubildenden im SGB II (DV 2/17) vom 12. September 2017, https:// www.deutscher-verein.de/de/empfehlungenstellungnahmen-2017-arbeitshilfe-des-deutschen-vereins-zur-existenzsicherung-von-auszubildenden-im-sgb- ii-2638,1213,1000.html. Die Ausnahme ist mittlerweile die Regel, daher stellt sich die Frage, warum einzelne wenige Gruppen ausgeschlossen bleiben. ine erste Öfnung gibt es nach den Fachlichen Weisungen zu § 7 SGB II Rz. 7.153 der Bundesagentur für Arbeit (BA) Stand: 2. März 2021, für Studierende in lternzeit, https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015897.pdf ckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II (DV 21/13) vom 13. September 2013, NDV 2013, 486 f. in Schritt in diese Richtung wurde bereits mit dem Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021 im Wege der ntfristung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB II gegangen. ckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II (DV 21/13) vom 13. September 2013, NDV 2013, 486 f. Bereits jetzt erfolgt diese Fiktion für Kinder von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die nach § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 (Stand: 5. Januar 2021), Rdnr. 273 m.w.N. 413 


































































































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