Page 11 - NDV 08/2021
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 NDV 8/2021 IM FOKUS 3. Helfen – Hilfen aus einer Hand („inklu- sive Lösung“) Die große Weichenstellung im KJSG liegt im Bereich der so- genannten inklusiven Lösung, der Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung. In drei Stufen soll die Kinder- und Jugendhilfe auch für Ein- gliederungshilfeleistungen für Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung zuständig werden. 3.1 Erste Stufe mit Inkraftreten In einer ersten Stufe, die am 10. Juni 2021 in Kraf getreten ist, wird die inklusive Kinder- und Jugendhilfe klargestellt und es werden Schnittstellen bereinigt. So wird der Inklusions- gedanke an verschiedenen Stellen verankert (§§ 1, 8a Abs. 4, 8b Abs.3, 9 Nr.4, 11 Abs.1, 77 Abs.1, 79a Satz2, 80 Abs.2 SGB VIII). Die inklusive Betreuung von Kindern in Tagesein- richtungen wurde in § 22a Abs. 4 SGB VIII weiterentwickelt. Zur Konkretisierung des allgemeinen Beratungsanspruchs in SGB I wurde in § 10a SGB VIII die Beratung zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und anderen Leistungsträgern ver- ankert und soweit erforderlich die Hilfe bei Antragstellung, Inanspruchnahme und bei der Erfüllung der Mitwirkungs- pflichten festgehalten. In diesem Kontext wurde die Zusam- menarbeit des Jugendamtes mit anderen Sozialleistungs- trägern beim Zuständigkeitsübergang normiert (§ 36b SGB VIII, Zuständigkeitsübergang auf den Träger der Eingliederungs- hilfe explizit in § 36b Abs. 2 SGB VIII). Die fallbezogene Zu- sammenarbeit im Gesamt- und Hilfeplanverfahren sowie klar- stellende Hinweise zur Beachtung der Regelungen im SGB IX sind in verschiedenen Paragrafen festgehalten (§§ 10a Abs. 3, 36 Abs. 3 SGB VIII, §§ 117 Abs. 6, 119 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Als Grundlage findet sich in § 7 Abs. 2 SGB VIII ein eigener Be- hinderungsbegrif, der an § 2 SGB IX angelehnt ist. Dieser Be- grif wurde zwar nicht in § 35a SGB VIII übernommen, sondern die bisherige Formulierung beibehalten. Eingeführt wurde aber in § 35a Abs. 1a Satz 4 SGB VIII, dass Ausführungen zur Leistung des Verfahrenslotsen ist vom Jugendamt zu er- bringen (§ 10b Abs. 1 SGB VIII). Der Verfahrenslotse hat dane- ben die Aufgabe, das Jugendamt bei der Zusammenführung der Leistungen zu unterstützen (§ 10b Abs. 2 SGB VIII). 3.3 Dritte Stufe (ab 2028) In der dritten und letzten Stufe ist der Übergang der vor- rangigen Zuständigkeit für Eingliederungshilfeleistungen für alle Kinder und Jugendlichen – auch mit (drohender) körper- licher oder geistiger Behinderung – ins SGB VIII anvisiert. Aller- dings steht diese Stufe unter der Bedingung, dass bis zum 1. Januar 2027 ein Bundesgesetz verkündet wird, das die nähere Ausgestaltung regelt (§ 10 Abs. 4 SGB VIII). Grundlage für die- ses Gesetz soll eine prospektive Gesetzesfolgenabschätzung und eine Umsetzungsbegleitung sein (§ 107 SGB VIII). 4. Unterstützen – Prävention vor Ort Niedrigschwellige Leistungen sind im KJSG mehrfach thema- tisiert. Zum einen wurde im KJSG an verschiedenen Stellen auf sozialräumliche Hilfen hingewiesen. Zur Verdeutlichung der Bedarfsgerechtigkeit der unmittelbar zugänglichen Leis- tungen wurden diese mit der Jugendhilfeplanung verknüpf (§§ 10a, 16 Abs. 2, 80 Abs. 2 und Abs. 3, 36a SGB VIII). Zum an- deren wurde die Kombination von Hilfen und Hilfen mit ande- ren Leistungen klarstellend in § 27 SGB VIII verankert (§ 27 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Zudem ist fest- gehalten, dass Gruppenangebote erzieherischer Hilfen im Bildungsbereich (Schule und Hochschule) möglich sind, so- weit dies dem Bedarf im Einzelfall entspricht (§ 27 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII). Schließlich ist in diesem Kontext die Konkretisierung von Leistungstatbeständen zu erwähnen. In § 13a SGB VIII findet sich nun die Leistung der Schulsozialarbeit wieder, die durch Landesrecht näher ausgestaltet wird. Die Angebote zur all- gemeinen Förderung der Erziehung in der Familie wurden weiterentwickelt (§ 16 Abs. 1 und 2 SGB VIII), § 19 SGB VIII wurde als eine gemeinsame Wohnform für Mütter, Väter und Kinder gestaltet und ist nicht mehr nur für Alleinerziehende möglich. Hervorzuheben ist dabei die Weiterentwicklung des § 20 SGB VIII, die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen. Es besteht nun ein individuell einklagbarer Anspruch auf Betreuung und Versorgung, wobei sich Art und Weise der Unterstützung sowie der zeitliche Umfang nach dem Bedarf im Einzelfall richten. Diese Leistung kann auch un- mittelbar insbesondere über Erziehungsberatungsstellen in Anspruch genommen werden, wenn entsprechende Verein- barungen bestehen (§ 20 Abs. 3 SGB VIII). Zudem ist bei der Betreuung und Versorgung in Notsituationen auch der Einsatz Teilhabebeeinträchtigung in Stellungnahmen nach SGB VIII angemessen berücksichtigt werden sollen. 3.2 Zweite Stufe (2024–2028) § 35a In einer zweiten Stufe wird ab 2024 ein unabhängiger Ver- fahrenslotse beim Jugendamt verbindlich eingeführt (§ 10b SGB VIII). Schon vorher ist es möglich, den Verfahrenslotsen einzusetzen (§ 107 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Mit § 10b SGB VIII er- halten Leistungsberechtigte und -empfänger/innen einen An- spruch auf Unterstützung und Begleitung durch einen Ver- fahrenslotsen bei Leistungen der Eingliederungshilfe. Diese 395 


































































































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