Page 9 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 NDV 4/2022
IM FOKUS
„geteilte Lösung[en]“ zurückgegriffen, was „manchmal so ein bisschen den Alltag“ erschwert hat.5
2.2 Software
Aber es sind bekanntlich nicht nur die Endgeräte, die über die Arbeitsfähigkeit entscheiden, sondern auch die Ausstattung mit entsprechender Software, die die Sammlung und Struk- turierung von Informationen sowie die Kommunikation zwi- schen Fachkräften ermöglicht. Erforderlich für die Arbeit des ASD im Kinderschutz ist insbesondere eine Fallsoftware mit komplexen und integrierten Dokumentations- und Kommu- nikationssystemen, etwa bei Fallbearbeitung durch mehrere Fachkräfte (Büchner 2020). Kinderschutz im Jugendamt ver- wirklicht sich einerseits an einer klaren Orientierung an Regeln und Standards und andererseits an einem sozialpädagogi- schen Verstehen der Individualität von Kindern, Jugendlichen und Familien. Ersteres lässt sich bei der Programmierung von Software zumindest teilweise leichter umsetzen (Formulie- rung von Wenn-Dann-Regeln), letzteres braucht spezifische di- gitale Lösungen (Schwarting 2020, 10). Doch in den befragten ASDs standen zunächst die grundlegende technische Ausstat- tung im Vordergrund. Dies betraf vor allem den webbasierten E-Mail-Zugang, die Möglichkeit, etwa über einen VPN6-Tunnel Daten auch von zuhause aus abzurufen, und die Möglichkeit, online die Arbeitszeit zu erfassen. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Ausstattung mit Programmen, um Telefon- oder Video- konferenzen abzuhalten. Während die Fachkräfte in der Befra- gung eine gute digitale Infrastruktur mit einer vereinfachten Arbeit im Homeoffice und damit einer geringeren Arbeitsbe- lastung der „Präsenzteams“ in Verbindung brachten, stellten sie in den Interviews nur vereinzelt unmittelbaren Zusammen- hang zur Qualität der Kinderschutzarbeit her. Nur dort schien ein Bewusstsein zu bestehen, dass die Weitergabe von Infor- mationen oder bestimmte technische Programme die Fall- arbeit unterstützte, wo auch tatsächlich ausreichende Hard- ware für vernetztes Arbeiten unabhängig vom Arbeitsort be- stand. Die Veränderungen dank der technischen Ausstattung und etwa eine rechtzeitig zuvor begonnene Umstellung auf eine elektronische Aktenführung hat es Fachkräften im ASD möglich gemacht, „sehr unproblematisch“ von zu Hause aus zu arbeiten, was allerdings nicht notwendigerweise für andere Mitarbeitende im Jugendamt galt.7
5 Jugendamt 17, 2. Erhebungswelle.
6 VPN steht für Virtual Private Network.
7 Jugendamt 8, 1. Erhebungswelle.
8 Jugendamt 29, 1. Erhebungswelle.
9 Jugendamt 30, 1. Erhebungswelle.
10 Jugendamt 26, 1. Erhebungswelle.
11 Jugendamt 15, 1. Erhebungswelle.
12 Jugendamt 34, 1. Erhebungswelle.
„Wir haben den Vorteil, dass sowohl unser E-Mail-Pro- gramm als auch Zeitkorrektur und so was, das läuft web- basiert. Das heißt, man kann es auch von externen Com- putern geschützt benutzen.“8
In den meisten der befragten Jugendämter wurden die Fallak- ten allerdings nur teilweise oder gar nicht in digitaler Form ge- führt oder diese waren wiederum nicht extern abrufbar. Dies führte dazu, dass Fachkräfte beim Arbeiten von zuhause die benötigten Informationen telefonisch von den Kolleginnen und Kollegen im „Präsenzteam“ erfragen mussten. Dies hat die Arbeitsbelastungen der Fachkräfte im Jugendamt zusätz- lich erhöht.9
Bei Vorhandensein entsprechender Software berichteten die interviewten Leitungskräfte, dass ihre Fachkräfte sehr schnell „herausfiltern“ konnten, welche laufende Gefährdungsfälle, welche Hilfen mit welchen Trägern und welche Schutzkon- zepte sie hatten, um so gemeinsam mit den Fachkräften Ar- beitspläne zu erstellen.10 Wenn einzelne Fachkräfte schon vor der Pandemie Arbeitsplätze im Homeoffice hatten, wurden sie beispielsweise als „Rettung“ bezeichnet.11
2.3 Technischer Support
Einige Fachkräfte berichteten von unzureichendem oder feh- lendem technischen Support in Bezug auf die Umstellung auf neue Programme, insbesondere Online-Konferenzen. Alle Fachkräfte waren auf die Nutzung der digitalen Infrastruk- tur für ihre Arbeit angewiesen, aber nicht alle hatten die glei- chen Kompetenzen. Diese Differenzen zu überbrücken, um ein vernetztes Arbeiten zu ermöglichen, stellte sich vielfach als schwierig dar.
„Man denkt ja, der öffentliche Dienst hat Support für so was. Das kann man einfach schlichtweg vergessen.“12
Die technischen Einschränkungen von Fachkräften konnten in etlichen Jugendämtern überwunden werden dank gegensei- tiger Unterstützung durch technikaffine Kolleginnen und Kol- legen. Nur wenige Teilnehmende berichteten von einer man- gelnden Bereitschaft der Fachkräfte, sich in neue Programme
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