Page 8 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 IM FOKUS
NDV 4/2022
halb des Jugendamts nur noch begrenzt zur Verfügung. Daher waren Fachkräfte in den Sozialen Diensten auch bei der Wahr- nehmung ihres Schutzauftrags bei (potenzieller) Kindeswohl- gefährdung auf digitale Arbeitsformen angewiesen. Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie ist der Fachöffentlichkeit klar: Kinderschutzhandeln kann nicht auf ein Ende der Corona- Pandemie warten, sondern Schutz und Hilfe verlangten und verlangen Reaktionen im Jetzt und Hier.
Inwieweit Jugendämter digital auf die Herausforderungen re- agiert haben, welche technische Ausstattung den Fachkräften zur Bewältigung der Herausforderungen im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie zur Verfügung stand, welche Herausfor- derungen sich in der digitalen Arbeit ergeben haben und wel- che Schlüsse aus den Erfahrungen für die weitere Digitalisie- rung im ASD der Jugendämter gezogen werden können, ist einer der Fragenkomplexe des Projektes „Kinderschutz in Zei- ten der Corona-Pandemie (KiZCo)“. Das Deutsche Jugendins- titut e.V. (DJI) hat in der Studie in Kooperation mit dem SOC- LES International Centre for Socio-Legal Studies gGmbH und dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) Leitungskräfte im Allgemeinen Sozialen Dienst aus 40 Jugendämtern befragt. Aus jedem Bundesland wurde mindestens ein Jugendamt ein- bezogen und proportional zur Gesamtzahl der Jugendämter im betreffenden Land entsprechend mehrere. Befragt wurde zu zwei Zeitpunkten, in einer ersten Erhebungswelle zwischen Juli und September 2020 und in einer zweiten zwischen Okto- ber und Dezember 2020. Üblicherweise wurde eine Teamlei- tung interviewt, in sieben Jugendämtern wurde das Interview mit zwei Leitungspersonen geführt, da die Kinderschutzauf- gaben dort auf ASD und einen spezialisierten Kinderschutz- dienst aufgeteilt sind. Das leitfadengestützte Interview wurde telefonisch bzw. über Webex durchgeführt.
2. Digitale Ausstattung entscheidet über die Arbeitsfähigkeit
„So ein bisschen Steinzeit noch bei uns.“1
Aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Corona- Pandemie war die Frage nach dem Stand der Digitalisierung auch in den Jugendämtern unentrinnbar. So hat das Bundes- jugendkuratorium (2021) in einem Zwischenruf beklagt, dass es weiterhin sowohl an der notwendigen digitalen Ausstat- tung als auch an der fachlichen Qualität der Nutzung digitaler
1 Jugendamt 18, 2. Erhebungswelle.
2 Jugendamt 8, 1. Erhebungswelle.
3 Jugendamt 15, 1. Erhebungswelle.
4 Jugendamt 18, 1. Erhebungswelle.
Medien in den Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe so- wie in der Ausgestaltung der Angebote fehle. Die Frage drängt sich auf, inwieweit die unzureichende Ausstattung (an Geräten wie auch IT-Service-Personal) nicht zu deutlich höheren „ver- steckten“ Kosten im Vergleich zur Herstellung von effektiver Arbeitsfähigkeit durch eine angemessene und ausreichende digitale Ausstattung führt.
2.1 Hardware
Vor dem März 2020 war im ASD nur in Einzelfällen oder nur be- grenzt Homeoffice oder mobiles Arbeiten möglich. Mit dem Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des SARS-CoV-2 stellten die meisten der befragten Jugend- ämter ihre Arbeitsorganisation (zeitweise) entweder auf ein Zwei-Schicht-System oder ein Notdienst-System um. Ein Teil der Fachkräfte arbeitete von zuhause, während ein anderer Teil vor Ort im Dienst war. Um an diesen sowohl flexibilisier- ten als auch aufgeteilten Arbeitsorten arbeitsfähig zu bleiben, war aus Sicht der meisten Interviewten die ausreichende tech- nische Ausstattung der Fachkräfte eine zwingende Vorausset- zung. So beklagten zahlreiche Leitungskräfte die mangeln- de technische Ausstattung mit mobil einsetzbaren Endgerä- ten (z.B. Laptops und Mobiltelefone). Oftmals zeigten sie sich bei ihren Wünschen nach Verbesserungen zurückhaltend und wünschten sich erst einmal nur einige Smartphones, Laptops oder mindestens eines für das Team, aber auch Kameras und Headsets. Aber selbst wenn Mobiltelefone zur Verfügung stan- den, fehlte mitunter das Guthaben für ein ausreichendes Da- tenvolumen – ein „ganz leicht lösbares Problem“.2
„Es würde Diensthandys brauchen. Und dann meinetwe- gen pro Team, ich bin jetzt ganz – also eigentlich würde ich sagen, jeder bräuchte einen Laptop oder ein Note- book, wo er mit einem Tunnel ins Intranet könnte, damit er arbeitsfähig wäre.“3
Sie waren aber regelmäßig in Bezug auf die Umsetzungsmög- lichkeiten in ihrer Kommunalverwaltung realistisch und ha- ben dies bei der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit im ASD berücksichtigt. Der gleichzeitige und vernetzte Einsatz der Ar- beitskraft erfordert eine Ausstattung aller Fachkräfte mit eige- nen Geräten. Erreichbarkeit wurde teilweise über private Te- lefonnummern und E-Mail-Adressen sichergestellt, wenn die Fachkräfte keine „Widerstände dagegen“ hatten.4 Bei Team- sitzungen wurde mangels Kameras für Videokonferenzen auf
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