Page 11 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 NDV 4/2022
IM FOKUS
„Wie man die drei Laptops nutzt, die man für zehn Leute hat, wann man die wie tauscht – da haben die ganz um- fangreiche Pläne aufgestellt. Wann wer welches Gerät mit nach Hause nehmen kann, wie die übergeben, wie sie desinfiziert werden usw.“21
Aufgrund einer unzureichenden Anzahl von technischen Ge- räten sowie Lizenzen für bestimmte Programme kam es zu ei- nem erhöhten Abstimmungsbedarf zwischen den Fachkräf- ten. Hier musste zum einen Hardware übergeben werden. Zum anderen bestand Abstimmungsbedarf, wenn beispiels- weise nur wenige Lizenzen für Online-Besprechungen zur Ver- fügung standen. Es entstand ein nicht unerheblicher organi- satorischer Aufwand. In einem Interview wurde zudem die unzureichende Infrastruktur für einen arbeitsfähigen Inter- netanschluss in der ländlichen „digitale[n] Wüste“22 als Prob- lem angesprochen, was ein Arbeiten von zuhause erschwer- te bis unmöglich machte. Gerade hier zeigt sich, dass durch die mangelhafte technische Infrastruktur ein erhöhter Arbeits- aufwand für die Fachkräfte entstand. Diese Zeit ging dann ver- mutlich von der Fallarbeit ab oder wurde durch zusätzliches Engagement der Fachkräfte (z.B. schnelleres Arbeiten, unbe- zahlte Überstunden) aufgefangen.
4. Datenschutz: Frage nach dem Wie statt Ob
Der ASD verarbeitet hoch sensible Sozialdaten aus der Pri- vatheit der Familien. Die digitale Ethik lenkt daher den Blick auf den Datenschutz sowohl bei der Nutzung von sogenann- ten Alltagsmedien als auch mit Blick auf die Fachsoftwarean- wendungen (Kutscher 2018). So hatten zahlreiche Kommunal- verwaltungen Bedenken bezüglich einer Kommunikation un- ter Nutzung bestimmter Anbieter und „Alltagsmedien“. Den Fachkräften standen nur die in der Kommunalverwaltung als datensicher eingestuften und frei gegebenen Kanäle zur Ver- fügung. Die Kooperationspartner in den Familien und ande- ren Organisationen konnten hingegen nur andere Programme nutzen, was digital vernetztes Arbeiten erheblich erschwerte oder dieses musste „ersatzlos gestrichen“ werden.23
„Wir durften nur ein Programm benutzen, nämlich Webex, also kein Zoom oder kein Skype oder kein WhatsApp, wie
21 Jugendamt 3, 1. Erhebungswelle.
22 Jugendamt 13, 1. Erhebungswelle.
23 Jugendamt 23, 1. Erhebungswelle.
24 Jugendamt 23, 1. Erhebungswelle.
25 Jugendamt 9, 2. Erhebungswelle.
26 Jugendamt 7, 2. Erhebungswelle.
27 Jugendamt 22, 2. Erhebungswelle.
auch immer, weil das offensichtlich oder angeblich den Datenschutzbestimmungen nicht Genüge tut, und viele Anbieter hatten das Programm wiederum nicht, sodass Videokonferenzen einfach kaum möglich waren.“24
Die Fachkräfte berichteten, dass Bedenken und Sorgen wegen unzureichendem Datenschutz dazu führten, dass die ange- schaffte technische Ausstattung nicht genutzt werden konn- te.25 Die professionelle Not findet in dieser Situation ihre Über- tragung aus der Not der Kinder und Jugendlichen, zu deren Schutz der ASD aufgerufen ist und beitragen soll. Stellt der Da- tenschutz zu „viele Hürden“ in den Weg oder macht er die Nut- zung digitaler Lösungen für das Kinderschutzhandeln „fast unmöglich“, spitzen sich die ethischen Dilemmata zu. Einige ASDs und deren Fachkräfte sind in dieser Situation auf „Ein- zelfalllösungen“ ausgewichen, die „nicht so hundertprozen- tig mit den Datenschutzrichtlinien übereinstimmen“. Sie sind bspw. auf Privatgeräte ausgewichen, um etwaige Zugangs- sperren zu Alltagsmedien zu überwinden.26 Zukunftsfrage für digitale Kinderschutzarbeit im ASD ist daher nicht, was al- les nicht erlaubt ist, sondern wie sowohl Datensicherheit ge- wahrt als auch Arbeitsfähigkeit gesichert und optimiert wer- den kann. Gerade wenn digitale Medien zur Kommunikation mit den Familien eingesetzt werden, ist es wichtig, dass diese an die Alltagswelt der Familien anknüpfen und dass auch die Familien einen leichten Zugang zu diesen Technologien ha- ben (z.B. kostenloser Zugang, leichte und verständliche Hand- habbarkeit).
5. Hemmschuh Beschaffungswesen und IT-Management in der Kommunalverwal- tung
„So eine öffentliche Verwaltung ist ja so organisiert, dass die Beschaffung von Arbeitsmaterialien immer nur stück- weise erfolgt. Nach und nach werden alte PCs und alte Büromöbel ausgetauscht – aber nicht alles für den gan- zen Sozialen Dienst in einem Jahr.“27
Digitalisierte Arbeitswelten erfordern fortwährende Aktualisie- rungen entsprechend den technischen Entwicklungen. Nicht viele Verwaltungen gehen mit diesen Anforderungen proaktiv um. Zudem stellen Investitionen in die Softwareausstattung
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