Page 12 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 IM FOKUS
NDV 4/2022
vor allem Verwaltungen mit knappem Budget vor teilweise unlösbare Probleme (Schwarting 2020, 12 f.). So haben sich die Logiken des kommunalen Beschaffungswesens während der Pandemie oft als hinderlich für die notwendigen Anpas- sungsprozesse erwiesen. In Jugendämtern mit unzureichen- der technischer Ausstattung mit entsprechender Hardware zeigten sich Probleme bei der Anschaffung entsprechender Geräte. Dies lag nach Information der Fachkräfte unter ande- rem an Lieferengpässen aufgrund der erhöhten Nachfrage im Allgemeinen. Hindernis war beispielsweise auch, wenn die IT- Dienstleistungen per Ausschreibung an einzelne Dienstleister vergeben waren, diese jedoch personell den gestiegenen An- forderungen nicht gerecht werden konnten und ein Auswei- chen auf andere Anbieter nicht als möglich angesehen wur- de.28 Einige ASDs berichteten von weiteren bürokratischen Hürden, etwa wenn man „noch 17 Anträge ausfüllen“29 oder Atteste vorlegen müsse.30 Auch Vorbehalte gegen Homeoffice auf höherer Leitungsebene führten zu Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Hard- und Software.
Die Querschnittsämter wurden teilweise als an ihren Grenzen erlebt, da „sie die ganze Stadt eben bedienen müssen“.31 Die Beschaffung von Arbeitsmaterialien orientiere sich nicht am tatsächlichen Bedarf, sondern erfolge stets nur in Teilbestel- lungen. Außerdem werde teilweise nicht anhand der Bedeu- tung und Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung priorisiert, son- dern nach dem Prinzip „die Ersten, die sich melden, kriegen einen“.32 Wenn priorisiert wurde, so berichteten einige Inter- viewte, dass das Personal in den Gesundheitsämtern mit Per- sonal aus den anderen Ämtern aufgestockt wurde. Die dort Tä- tigen brauchten plötzlich „alle einen Computer“ und erhielten diese auch bevorzugt.33
Zudem waren die unerwarteten Kosten vielfach in den Haus- haltsplänen nicht eingestellt, was zeitnahen Verbesserungen in der digitalen Infrastruktur entgegenstand.34 Wenn keine zu- sätzlichen Gelder aus dem Hauptamt bewilligt wurden, war
28 Jugendamt 3, 1. Erhebungswelle.
29 Jugendamt 33, 1. Erhebungswelle.
30 Jugendamt 1, 2. Erhebungswelle.
31 Jugendamt 33, 2. Erhebungswelle.
32 Jugendamt 22, 2. Erhebungswelle.
33 Jugendamt 3, 1. Erhebungswelle.
34 Jugendamt 2, 1. Erhebungswelle.
35 Jugendamt 33, 2. Erhebungswelle.
36 Jugendamt 21, 1. Erhebungswelle.
37 Jugendamt 40, 1. Erhebungswelle.
38 Jugendamt 36, 1. Erhebungswelle.
39 Jugendamt 26, 1. Erhebungswelle; auch Jugendamt 25, 2. Erhebungswelle.
40 Jugendamt 20, 1. Erhebungswelle.
41 Jugendamt 3, 2. Erhebungswelle.
der ASD, so eine weitere Leitungsperson, auf eine Finanzie- rung aus dem Budget des Jugendamts angewiesen, aber ob und wenn ja, in welcher Höhe Restmittel zur Verfügung stehen, konnte erst am Jahresende beurteilt werden und darauf wur- de zum Zeitpunkt des 2. Interviews noch gewartet.35
6. Fortschritte in einigen Jugendämtern, stockende Verbesserungen in anderen
„Was ich auch noch positiv finde, ist, dass die Digitalisie- rung fortgeschritten ist.“36
Wenn Jugendämter in beiden Erhebungswellen darauf hin- wiesen, dass sie bereits vor März 2020 eine gute technische Ausstattung hatten, war für die Fachkräfte auch die Umstel- lung auf die neue Arbeitsorganisation während der Corona- Pandemie leichter. Als hilfreich habe sich erwiesen, eine „tech- nokratische Verwaltung“ zu sein, „sehr viel computergestütz- te Verwaltungsarbeit“ bzw. ganz praktisch eine „IT-gestützte Telefonstruktur“ zu haben37 oder bereits mit einer Software gearbeitet zu haben, bei der bereits vor März 2020 ein Zugriff von zuhause aus möglich war.38 Doch nicht alle Jugendämter konnten auf vorhandenen Strukturen aufbauen.
Einige Interviewte berichteten von einem Digitalisierungs- schub durch die Covid-19-Pandemie, wie ihn auch Katharina Lohse (2020) konstatiert hat. Die Erschwernisse in der Arbeit des ASD aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie führten dazu, dass neue technische Aus- stattung und Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten etabliert wurden – „ein positives Merkmal der ganzen Pandemie“.39 Die Fachkräfte sind „plötzlich zuhause voll arbeitsfähig – sehr, ei- gentlich sehr, sehr schnell“,40 können sich „von jedem beliebi- gen Internetanschluss aus“ in das Archiv der Fallakten bege- ben.41 Dies wird als „super“ erlebt und habe den „Teamzusam-
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