Page 44 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 AUS DEM DEUTSCHEN VEREIN
NDV 4/2022
2. Überblick, Projekte und Empirie
2.1 Von der Deutschen Islam Konferenz 2015 bis heute
Den Auftakt machte Norbert Feith mit einem Grußwort. Der Leiter des Referats Freie Wohlfahrtspflege und soziale Arbeit im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend (BMFSFJ) nahm einen Beschluss der Deutschen Islam Konferenz (DIK) von 2015 zum Ausgangspunkt. Dieser habe ausdrücklich das Recht von Musliminnen und Muslimen aner- kannt, Wohlfahrtspflege konfessionell zu organisieren. So sei der Anspruch auf selbstorganisierte, professionelle Leistun- gen in Verantwortung muslimischer und alevitischer Träger von der Breite der in der DIK vertretenen Institutionen aner- kannt worden (ausf. Deutsche Islam Konferenz 2015) – ein Pa- radigmenwechsel, so Feith. Im Anschluss hat das BMFSFJ ver- schiedene Vorhaben initiiert und gefördert. Für den Überblick seien wichtige Stationen zusammengefasst:
▶ 2015: Studie zu sozialen Dienstleistungen muslimischer Verbände und Gemeinden (s.u. 2.2.3),
▶ 2016 bis 2018: Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Qualifizierung muslimischer und alevitischer Wohlfahrtspflege; ab 2020 Nachfolgeprojekt zur Unterstüt- zung und Stärkung muslimischer und alevitischer Sozialar- beit vor Ort (s.u. 2.2.2),
▶ 2017 bis Ende 2021: Bundesweites Projekt zum Empower- ment zur Wohlfahrtspflege mit den Verbänden der DIK (s.u. 2.2.1),
▶ 2016: Gründung des Islamischen Kompetenzzentrums für Wohlfahrtswesen e.V. (s.u. 3.2),
▶ 2021: Studie zu wohlfahrtspflegerischen Leistungen von säkularen MO (s.u. 2.2.3).
2.2 Projekte und Forschung
2.2.1 Empowerment zur Wohlfahrtspflege
Von zentraler Bedeutung ist das vom BMFSFJ geförderte Pro- jekt „Empowerment zur Wohlfahrtspflege mit den Verbänden der Deutschen Islamkonferenz“ (Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. [ISS] 2022). Anke Strube vom ISS, zu- gleich Geschäftsstelle des Projekts, präsentierte es mit Adeel Shad von An-Nusrat e.V.
Strube stellte dar, wie zunächst Qualifizierung und Professio- nalisierung im Vordergrund gestanden hätten. Zunehmend seien Vernetzung und Kooperation wichtiger geworden – zwi- schen den islamischen Organisationen, aber auch mit etab- lierten Wohlfahrtsverbänden und Kommunen. Daraus sei Empowerment entstanden: Selbstbewusstsein und Selbst- wirksamkeit seien gewachsen, die verbandliche Selbstorgani- sation vielfach verbessert worden.
Adeel Shad veranschaulichte, was das praktisch bedeutet. An- Nusrat e.V. ist ein von der Ahmadiyya Muslim Jamaat KdöR 2018 im Rahmen des Projektes gegründeter Wohlfahrtsver- band. Dessen Ziel ist es, professionelle religions- und kultur- sensible Angebote zu etablieren. Shad betonte allerdings, dass die Angebote offen für alle seien, nicht nur für Muslimin- nen und Muslime. Die vorgestellten Projekte verdeutlichten, dass die im Empowerment-Projekt gesetzten Impulse im Fall seines Verbands in kurzer Zeit zu einer breiten und vielfältigen Palette an Angeboten (ausf. An-Nusrat 2022) geführt haben.
2.2.2 Dialog- und Lernplattform zur Unterstützung und Stärkung muslimischer und alevitischer Sozialarbeit vor Ort
Der Beitrag von Serkan Özaltan, Der Paritätische NRW, wandte den Blick von der Bundes- auf die Landesebene. Er stellte die „Dialog- und Lernplattform zur Unterstützung und Stärkung muslimischer und alevitischer Sozialarbeit vor Ort“ vor. Sie knüpft an ein von 2016 bis 2020 umgesetztes Vorgängerpro- jekt an, das die Qualifizierung muslimischer und alevitischer Gemeinden zum Gegenstand hatte (ausf. Der Paritätische NRW 2022). Die Besonderheit des nun vom Land NRW geförderten Nachfolgeprojektes: Es wird von den sechs Spitzenverbän- den der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts- pflege NRW umgesetzt – von Özaltan als einzigartiges Zeichen gewertet, dass die Spitzenverbände muslimische und alevi- tische Verbände bei der Professionalisierung unterstützen. Zwölf Projektstandorte in NRW werden von je einzelnen Spit- zenverbänden getragen. Die Ziele sind auch hier Empower- ment, Professionalisierung, der Aufbau von Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen untereinander sowie zu kommunalen Behörden und Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Entwicklung fachlicher Standards.
An den Projektstandorten werden Runde Tische als Räume der Begegnung geschaffen, Bedarfe und Ziele für die eigene Gemeinde- bzw. Verbandsarbeit geklärt sowie Qualifizierung und Begleitung angeboten, um die eigene Arbeit an Struktu- ren der Sozialen Arbeit anschlussfähig zu machen. Wichtig ist auch die Islamberatung, eine Art Brückenbauer, der Begeg- nungen und Vertrauen schaffen sowie informieren und Kon- flikte schlichten soll – innerhalb der muslimischen und aleviti- schen Gemeinden ebenso wie zwischen diesen und Kommu- nen oder Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege.
2.2.3 Wohlfahrtspflegerische Leistungen säkularer Migrantenorganisationen
Prof. Dr. Dirk Halm, Stiftung Zentrum für Türkeistudien und In- tegrationsforschung, blickte zunächst zurück auf die 2015 er- schienene Studie „Soziale Dienstleistungen der in der Deut- schen Islam Konferenz vertretenen religiösen Dachverbände und ihrer Gemeinden“ (Halm/Sauer 2015). Sie hat deren Ange- bote ebenso wie Strukturdaten erhoben, um Aussagen zu tref-
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