Page 46 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 AUS DEM DEUTSCHEN VEREIN
NDV 4/2022
und Petra Schmid, Jugendamt der Stadt Essen, wie etablierte Institutionen MO und muslimische Organisationen aktiv ein- binden können.
Oft wird ein Gegensatz aufgemacht: Hier die etablierten Ver- bände der Freien Wohlfahrtspflege, dort die weniger etablier- ten MO und muslimischen Organisationen. Der Beitrag von Harald Löhlein verdeutlichte, dass der Gegensatz nicht so pauschal besteht. Am Beispiel des Paritätischen verdeutlich- te er, wie MO in die Verbandsarbeit einbezogen worden sind: Zunächst durch Förderung von MO durch die Landesverbän- de, später im Bundesverband durch die Gründung des Fo- rums der Migrantinnen und Migranten (mehr: Der Paritätische Gesamtverband 2022/1) und Projekte des Bundesverbandes (mehr: Der Paritätische Gesamtverband 2022/2), die Einbin- dung auch bei nicht-migrationsspezifischen Verbandsaktivi- täten und die Zusammenarbeit mit migrantischen Dachver- bänden. Zu Recht wies er darauf hin, dass die im Programm ausgewiesene Überschrift „Strukturen öffnen“ zu kurz greife: Verbandliche Strukturen seien offen – aber man müsse die Be- teiligung von MO aktiv angehen.
Petra Schmid zeigte auf, wie die Zusammenarbeit von Behör- denseite aktiv vorangetrieben werden kann (ausf. Schmid/ Engelen 2019). Als Bausteine der lokalen Praxis erörterte sie: Berücksichtigung migrationsspezifischer Aspekte bei der Ju- gendhilfeplanung, Abstimmung des Jugendamts mit dem kommunalen Integrationszentrum (zum Begriff Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration 2022), Rolle des kommunalen Strategie- und Integrationskonzepts, Dialog- orientierung des Leitbildes des Jugendamtes sowie ein Hand- lungskonzept des Jugendamtes zur Kooperation mit MO. Hier seien auch Empfehlungen des Deutschen Vereins (Deutscher Verein 2011) eingeflossen. Zur Umsetzung stellte sie Informa- tionsveranstaltungen, zielgruppenspezifische Projekte, Richt- linien zur Anerkennung als Träger der Freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII und ein Monitoring zur Anerkennung von MO als Träger der Jugendhilfe vor. Sie benannte Stolpersteine, aber auch Erfolge: Die Ansätze hätten vermehrte Projektförderun- gen ermöglicht, der Stadt Zugänge zu den Trägern verschafft, es gebe beidseitig Ansprechpartnerinnen und -partner, die Vernetzung der MO sei verbessert worden und ihre Vielfalt ge- stiegen.
3.2 Kompetenzen aufbauen: Beratung, Qualifizie- rung und Vernetzung
Die am Vortag ebenfalls diskutierte Qualifizierung, Professio- nalisierung und Vernetzung griffen Eliza Aleksandrova, Isla- misches Kompetenzzentrum für Wohlfahrtswesen (IKW), und Nozomi Spennemann, Verband für interkulturelle Arbeit (VIA)
Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V., Servicestelle für Migrant:innenorganisationen, auf.
Mit dem IKW besteht seit 2016 erstmals ein von mittlerweile acht muslimischen Verbänden getragener, überverbandlicher Zusammenschluss (ausf. Islamisches Kompetenzzentrum für Wohlfahrtswesen 2022). Ziele sind Beratung und Begleitung sowie Qualifizierung und Vernetzung – innerhalb der musli- mischen Gemeinden und Verbände ebenso wie mit Kommu- nen und Freier Wohlfahrtspflege. So soll die Soziale Arbeit der Verbände und Moscheegemeinden ausgebaut und verbessert werden. Dabei ist das IKW kein muslimischer Wohlfahrtsver- band. Allerdings, so Aleksandrova, gebe es zwischen den Ver- bänden eine vom IKW koordinierte Diskussion, wie ein Ver- band gegründet werden könne.
Während das IKW recht neu ist, berichtete Nozomi Spenne- mann aus langjähriger Erfahrung zu Qualifizierung und Ver- netzung von MO in Berlin und Brandenburg (ausf. VIA 2022). Das machte sie anhand von Beispielen deutlich – einer Ar- beitshilfe für MO, einer Förderdatenbank und Förder-News, ei- ner thematischen Fachrunde zur Vernetzung, des Netzwerks für psychische Gesundheit von vietnamesischen Migrant:in- nen und des Berliner Beratungsnetzes für Zugewanderte. Die lange Erfahrung von VIA stellte sie als Erfolgsfaktor heraus – durch sie seien Kenntnis der Kompetenzen der MO vorhanden und enge Beziehungs- und Vernetzungsarbeit möglich. Wich- tiges Ziel sei, Ressourcen zu bündeln und füreinander nutzbar zu machen.
3.3 Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Migrantenorganisationen
Die am Vortag ebenfalls erörterte Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und MO griffen Mamad Mohamad, Landesnetz- werk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA), und Dr. Birgit zur Nieden, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Berlin (SenIAS), auf. Bei SenIAS ist zugleich das Amt der Berliner Integrationsbeauftragten angesiedelt.
Anlass für die Einladung des LAMSA war, dass es als Landes- netzwerk zum einen die Erfahrung vieler kommunal veran- kerter MO bündelt. Zum anderen formuliert es den Anspruch der „Vertretung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Bevölkerung mit Migrationshinter- grund auf Landesebene“ sowie der „Beteiligung von Migran- tenorganisationen am gesellschaftlichen Leben in Sachsen- Anhalt“ (Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt 2022). Mohamad stellte heraus, welche Rol- le die Beteiligung von MO für den gesellschaftlichen Zusam- menhalt spielt. Er betonte ihre Unterschiedlichkeit und mach- te geltend, dass sie in Prozesse einbezogen werden und als
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