Page 47 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
P. 47

 NDV 4/2022
AUS DEM DEUTSCHEN VEREIN
Kompetenzpartner anerkannt werden müssten, statt nur – wie etwa in der Corona-Pandemie – kurzfristig als „Feuerwehr“ ge- rufen zu werden.
Anlass für die Einladung von SenIAS war, dass es hier eine lan- ge Tradition der Kooperation mit MO gibt. Diese Zusammen- arbeit ist für die Berliner Integrationsbeauftragte bei der Er- arbeitung von Konzepten, Strategien und Maßnahmen seit 2021 gemäß § 15 Abs. 4 des Berliner Gesetzes zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG) auch verpflichtend. Wie das aussehen kann, erörterte zur Nie- den anhand von Beispielen: Kooperationen bei mehrsprachi- ger Information zu Covid und beim aufsuchenden Impfen, die Erarbeitung der Novelle des PartMigG und die fachliche Zu- sammenarbeit im Rahmen des Landesförderprogramms Par- tizipations- und Integrationsprogramm (hierzu: Die Beauftrag- te des Berliner Senats für Integration und Migration 2022). Sie betonte, dass fachliche Zusammenarbeit etwas anderes sei als „Pseudo-Partizipation“. Und dass sie Zeit, Ressourcen und wechselseitige Übersetzungsarbeit erfordere. Sowohl die Ver- waltung als auch MO hätten unterschiedliche Perspektiven und Arbeitsweisen, für die wechselseitig Verständnis geschaf- fen werden müsse.
3.4 Religiöse Migrantengemeinden und ihre Dienstleistungen im Feld der Altenhilfe
Abschließend stellte Prof. Dr. Marc Breuer, Katholische Hoch- schule Nordrhein-Westfalen, die Ergebnisse des Forschungs- projektes „Religiöse Migrantengemeinden als Kooperations- partner von Altenhilfe und Seniorenarbeit in Nordrhein-West- falen (ReMigAS NRW)“ vor. Es erforschte die „Möglichkeiten und Grenzen von religiösen Migrantengemeinden hinsichtlich der Unterstützung älterer Menschen mit Migrationserfahrung. Besondere Aufmerksamkeit galt der Frage, inwiefern Koope- rationen von religiösen Migrantengemeinden mit Kommunen sowie Wohlfahrtsverbänden als Akteuren der Altenhilfe und Seniorenarbeit zielführend sein können“ (Katholische Hoch- schule Nordrhein-Westfalen 2022). Für eine Zusammenfas- sung der Forschungsergebnisse sei hier auf die verschiedenen Projektpublikationen verwiesen (a.a.O., Forschungsergebnis- se).
3.5 Erfahrungen und Herausforderungen – zweiter Tag
Fasst man die Referate und Diskussionsbeiträge der Teilneh- menden des zweiten Tages zusammen, so ergänzen sie die Eindrücke des ersten Tages:
▶ Wiederholt wurde die ungleiche Verteilung finanzieller und personeller Ressourcen thematisiert. Sie stehe einer Zu- sammenarbeit etwa mit Kommunen entgegen: Angebote der Beteiligung könnten oft wegen fehlender personeller Ressourcen nicht wahrgenommen werden. Allerdings wur- de teils ergänzt, dass sich dieses Problem nicht nur im Ge- genüber von „Freier Wohlfahrtspflege versus migrantische und muslimische Organisationen“ stelle. Vielmehr stelle es sich unabhängig von Migration und Religion in verschie- denen Feldern der Sozialen Arbeit anhand der Unterschei- dung „Große Träger versus kleine Träger“.
▶ Im Zusammenhang mit Ressourcen wurde verschiedent- lich die Kritik geäußert, Förderprogramme seien zu büro- kratisch ausgestaltet und es müsse mehr ressortübergrei- fende Förderung ermöglicht werden. Oft seien, der Res- sortlogik folgend, Förderprogramme eines Hauses zu eng nach dessen alleiniger Zuständigkeit zugeschnitten.
▶ Ressourcen wurden nicht nur als zivilgesellschaftliches Problem thematisiert. Auch für kommunale Behörden er- fordert die Einbindung von MO und muslimischen Organi- sationen Zeit, Personal und Engagement – deutlich wurde, dass das auch Behörden vor Herausforderungen stellt.
▶ Erneut wurden Qualifizierung und Professionalisierung diskutiert – aber mehrfach ergänzt: Nach Qualifizierung und Professionalisierung sei es nun an der Zeit, MO und muslimische Organisationen stärker in fachliche Arbeit ein- zubeziehen.
▶ WieschonfürmuslimischeGemeindenundVerbändedis- kutiert, wurde auch für MO betont, dass sie sehr unter- schiedlich seien. Auch hier müssten Qualifizierungs- und Professionalisierungsschritte deshalb passgenau sein.
▶ Wie am ersten Tag wurde sichtbar, dass muslimische ebenso wie migrantische Organisationen Vorbehalte, teils auch Rassismus kritisieren. Zugleich wurde von anderer Seite benannt, dass es mit konservativen muslimischen Vertreterinnen und Vertretern Differenzen geben könne, über die offen diskutiert werden müsse.
▶ Neben Vorbehalte scheinen auch Konkurrenzen zu treten. Dabei zeigt die Diskussion, dass sie nicht nur zwischen Be- hörden und Trägern der Freien Wohlfahrtspflege auf der ei- nen Seite sowie migrantischen und muslimischen Organi- sationen auf der anderen Seite bestehen. Vielmehr gebe es sie auch zwischen den Letztgenannten untereinander.
▶ Erneut wurde eingefordert, Kompetenzen und geleistete Arbeit der Organisationen stärker anzuerkennen. Zugleich wurde angemerkt, dass sie sich ihrerseits stärker um Sicht- barkeit ihrer Angebote bemühen sollten.
▶ AuchdieHerausforderungendesEhrenamtswurdener- neut thematisiert: Wenn Ehrenamtliche an Professiona- lisierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnähmen, fehle oft Zeit, erworbenes Wissen in die eigenen Organisa- tionen weiterzugeben. Entsprechendes gelte für Projekt- förderung – wenn befristet eingestelltes Personal am Pro-
189

















































































   45   46   47   48   49