Page 45 - NDV 08/2021
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 NDV 8/2021 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN Persönliche Nachrichten Rainer Haas und Politikern, dürfe die Zahl der Anek- doten sein, die über sie im Umlauf sind und am Tage des Ausscheidens aus dem Amt von gut informierten Laudatorin- nen und Laudatoren der Öfentlichkeit preisgegeben werden. Als Rainer Haas Ende Dezember 2019 nach 24 Jahren als der am längsten amtierende Landrat in Baden-Württemberg verabschiedet wurde, wussten alle Rednerinnen und Redner eine persönliche Anekdote aus der Begegnung mit ihm beizutragen. Geradezu legendär ist, dass Haas in Vor- trägen gerne den Leitspruch des Grafen Eberhard im Bart und späteren Herzogs von Württemberg und Teck „Attemp- to – ich wage es!“ seinen Ausführungen voranstellte. „Da wussten wir immer: Jetzt kommt was Wichtiges“, sagte der Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Auch die in der Öfentlichkeit kursieren- den „Ehrentitel“ des langjährigen Land- rats des Kreises Ludwigsburg zeugen von dem Respekt, der ihm gezollt wurde. Er wurde of „König des Landkreises“ ge- nannt; die Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) sah in ihm aufgrund seiner zahlreichen europäischen Kon- takte sogar den „heimlichen Außen- minister von Baden-Württemberg“. Rainer Haas wurde am 1. August 1956 in Stuttgart geboren und wuchs in Gerlin- gen, der südlichsten Gemeinde im Land- kreis Ludwigsburg auf. Nach dem Abitur widmete er sich von 1975 bis 1981 dem Studium der Rechtswissenschaf und der Romanischen Philologie an den Uni- versitäten Tübingen und Aix-en-Proven- ce/Marseille. Nach dem Referendariat im Stuttgarter Landgerichtsbezirk ver- diente sich Rainer Haas erste berufliche Meriten im Landratsamt des Ostalbkrei- ses mit der Kreisstadt Aalen. Von 1986 bis 1988 war er Richter am Verwaltungs- gericht Stuttgart und danach Beamter im baden-württembergischen Innen- und Staatsministerium. Seine rechts- wissenschaflichen Kenntnisse waren ihm für sein berufliches Fortkommen, seine frankophilen Vorlieben zusätzlich für seine Promotion hilfreich: Mit einer Arbeit über das Thema „Französische Sprachgesetzgebung und europäische Integration“ promovierte Rainer Haas im Jahre 1990 in Tübingen zum Doktor der Rechte. Von 1991 bis 1995 war Rainer Haas „Ers- ter Landesbeamter“ im Rems-Murr-Kreis mit der Kreisstadt Waiblingen. „Erste Landesbeamte“ sind Vertreterinnen und Vertreter des Landrats und Leiterinnen und Leiter der Verwaltung nach der Landkreisordnung in Baden-Württem- berg, die von der Landesregierung im Benehmen mit dem Landrat oder der Landrätin ernannt werden. Am 17. November 1995 wurde Rainer Haas als parteiloser Kandidat vom Kreis- tag des Landkreises Ludwigsburg im dritten Wahlgang mit 40,6 % der Stim- men zum Landrat gewählt. Es sollte das letzte knappe Ergebnis in seiner Amts- zeit bleiben: Im Oktober 2003 wurde er mit 83,5% und im Oktober 2011 mit 84,3 % jeweils ohne Gegenkandi- dat/innen in diesem Amt bestätigt. Bei der Landratswahl im November 2019 trat er nicht mehr an. Rainer Haas machte sich einen Namen als innovativer, kommunikativer und durchsetzungsfähiger Gestalter, der un- zählige Projekte vorantrieb und für viele Probleme eine kommunale Lösung zur Hand hatte – beispielsweise beim Ausbau des öfentlichen Personen- nahverkehrs und der Einführung eines „Seniorenjahrestickets für Führerschein- rückgabe“, das über 1.000 ältere Men- schen dazu bewog, ihren Führerschein zugunsten eines Seniorenjahrestickets zurückzugeben. Auch der Ausbau der beruflichen Schulen in seinem Land- kreis war Rainer Haas ein Anliegen. Bei seiner Verabschiedung wurde darauf hingewiesen, dass er bei den Schulen nie gespart habe. Er wusste, dass jeder Euro, der in Bildung investiert wird, eine Investition ist, die sich auszahlen werde. Ein besonderes Anliegen war ihm der europäische Gedanke und die europäi- sche Einigung. Schon früh errichtete Rainer Haas einen Europaausschuss innerhalb des Schul- und Kulturaus- schusses und war entscheidend daran beteiligt, dass sich der Landkreis dem Rat der Gemeinden und Regionen Euro- pas (RGRE) anschloss. Er selbst war Vize- präsident der Deutschen Sektion des Rates und Vorsitzender des Kreisver- bandes Ludwigsburg der Europa-Union Deutschland. Im Dezember 2016 wurde er für drei Jahre zum Ko-Präsidenten des europäischen Kommunalverbandes „Council of European Municipalities and Regions“ (CEMR) gewählt. Aufgrund sei- ner Verdienste auf europäischer Ebene wurden ihm die Auszeichnung „Che- valier dans L‘Ordre national de la Légi- on D‘Honneur“ (Ritter der Ehrenlegion) durch den damaligen französischen Staatspräsident Nicolas Sarkozy ver- liehen. Weitere Ehrungen folgten, darunter 2015 der italienische Verdienstorden „Cavalie- re dell’Ordine della Stella d’Italia“ (Rit- ter des italienischen Sternordens). Rai- ner Haas ist Ehrensenator der Pädagogi- schen Hochschule Ludwigsburg, deren Vereinigung der Freunde und Akademie für berufliche Weiterbildung er vorsteht. –rm– Ein nicht un- erhebliches Krite- rium für die Bedeu- tung, zumindest für die Beliebtheit von Politikerinnen  429 


































































































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