Page 34 - NDV 08/2021
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 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN NDV 8/2021 Geräten erbracht. Für die Neuanschafung von Sehhilfen gilt diese Regelung nicht. Kosten einer Brille werden grundsätz- lich nicht als Zuschuss nach dem SGB II gewährt. Das be- deutet, dass die Brille in der Regel33 bei Leistungsberechtigten über 18 Jahren aus dem Regelbedarf zu zahlen ist. Im Regel- bedarf der Regelbedarfsstufe 1 ist in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2018 ein Anteil für therapeutische Geräte und Mittel in Höhe von monatlich 2,23 € enthalten.34 Dieser Betrag reicht für die Anschafung nicht aus; auch nicht durch Ansparen oder durch Einsparungen bei anderen Regel- bedarfsbestandteilen. Die Regelung führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Da Leistungsberechtigte in aller Regel krankenversichert sind, muss die vorrangige Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in diesen Fällen beachtet werden, wobei Zuzahlungen, die nach § 61 SGB V zu leisten sind, auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB II bis zur Belastungs- grenze (§ 62 SGB V) aus dem Regelsatz gezahlt werden müs- sen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, alle Bedarfe für Gesundheits- leistungen im SGB V zu regeln und u.a. Seh- und Hörhilfen, so- weit nicht im Leistungskatalog der GKV enthalten, dort (wie- der) aufzunehmen. 4. Anspruch auf digitale Endgeräte als Leistung für Bildung und Teilhabe Problemdarstellung In den Regelbedarfen für Kinder und Jugendliche werden als regelbedarfsrelevant für Abteilung 10 (Bildungswesen) aus der Sonderauswertung der EVS 2018 für 0- bis 6-Jährige 1,49 €, für 6- bis 14-Jährige 1,56 €, für 14- bis 18-Jährige 64 Cent ver- anschlagt.35 Daneben werden seit letzter grundsätzlicher Überarbeitung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) im Schulbedarfspaket 30,– € für digitale Lernsofware berück- sichtigt. Diese Beträge reichen für die Anschafung digitaler Endgeräte samt Zubehör nicht aus; auch nicht durch Ansparen oder durch Einsparungen bei anderen Regelbedarfsbestand- teilen. Durch den pandemiebedingten verstärkten Distanz- unterricht (Homeschooling) ist diese Lücke besonders zutage getreten. Im Rahmen des DigitalPakts Schule36 werden Schulen u. a. mit Leihgeräten zur Weitergabe an hilfebedürfige Schüler/innen ausgestattet. Diese Beschafungen sind in den Ländern unter- schiedlich weit gediehen, sodass vielfach auch die Jobcenter vor der Aufgabe stehen, diese Bedarfe zu decken, wenn der- artige Leihgeräte im Rahmen der Lernmittelfreiheit nicht bzw. noch nicht verfügbar sind.37 Lösungsvorschlag Bedürfige Schülerinnen und Schüler sind in erster Linie im Zuge der vorrangigen und weiter voranzutreibenden Lern- mittelfreiheit mit digitalen Endgeräten durch die Schulen ein- schließlich Zubehör auszustatten. Sofern dies allerdings nicht der Fall sein sollte, spricht sich der Deutsche Verein für eine nachrangige Deckung dieser Bedarfe im Rahmen der Leistun- gen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II aus. 5. Pflichtverletzungen, §§ 31 f. SGB II Problemdarstellung Nach dem Urteil des BVerfG vom 5. November 201938 sind die Sanktionsregelungen der §§ 31, 31a SGB II zu überarbeiten.39 Es ist neu zu regeln, ob und wie Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert werden. Dabei ist dem Gesetzgeber ein Spielraum eingeräumt worden, z.B. statt der belastenden Sanktionierung auch positive Anreize zu setzen, die Um- stellung von Geldleistungen auf Sachleistungen vorzugeben oder je nach Mitwirkungshandlung diferenzierte Minderungs- höhen und -dauern festzulegen.40 Der Nachweis der Wirksam- keit höherer Leistungsminderungen als 30 % müsste durch 33 § 33 SGB V sieht vor, dass Sehhilfen auch für über 18-Jährige zulasten der GKV verordnungsfähig sind, wenn die Betrofenen sehr schwere Sehbeeinträchti- gungen aufweisen oder einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus haben. 34 Vgl. Gesetzesbegründung zum Gesetz zur rmittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölfen Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerber- leistungsgesetzes, BT-Drucks. 19/22750, S. 27. 35 Vgl.BT-Drucks.19/22750,S.8;inAbteilung9(Freizeit,Unterhaltung,Kultur)der inkommens-undVerbrauchsstichprobe( VS)2018isteinAnteilfür datenverarbeitende Geräte für 0- bis 6-Jährige in Höhe von 2,74 €, für 6- bis 14-Jährige in Höhe von 2,31 €, für 14- bis 18-Jährige in Höhe von 0 € veranschlagt (BT-Drucks. 19/22750, S. 35 f.). Selbst bei Zugrundelegung beider Abteilungen ist auch damit der Bedarf für digitale ndgeräte auch bei Ansparen oder bei insparungen bei anderen Regelbedarfsanteilen nicht zu decken. 36 https://www.bmbf.de/de/wissenswertes-zum-digitalpakt-schule-6496.php (29. Januar 2021). 37 Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 21 Abs. 6 SGB II vom 1. Februar 2021. 38 Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16. 39 Der Deutsche Verein hat bereits seit Jahren einen umfangreichen Katalog zur Überarbeitung der Sanktionsregelungen gefordert: vgl. Deutschen Vereins zur Reform der Sanktionen im SGB II (DV 26/12) vom 11. Juni 2013, NDV 2013, 289 f.; vgl. zuletzt NDV 2019, 529 f. 40 Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 –, juris Rdnr. 130 und 213. mpfehlungen des 418 


































































































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