Page 23 - NDV 08/2021
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 NDV 8/2021 IM FOKUS Dieter Kreft und Hans-Georg Weigel1: Zur Erinnerung an Wolfgang Bäuerle (8. Juni 1925–19. Februar 1982) Wolfgang Bäuerle gehörte nach 1945 zu der kleinen Gruppe von Wissenschaflern, die zur Modernisierung der Sozialen Arbeit beigetragen haben. Aber anders als diese Kollegen (z.B. Klaus Mollenhauer, Hans-Uwe Otto, C. Wolfgang Müller und Hans Thiersch) hat W. Bäuerle kein „Hauptwerk“ verfasst, mit dem sein Name über die Zeiten verbunden ist. Er wollte ganz unmittelbar die soziale Praxis verändern. Die Gründung des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 1974 ist das Beispiel seines besonderen Denkens und Handelns. Mit diesem Text soll an ihn erinnert und sein (völliges) Vergessen verhindert werden. 1. Ein anderer Start Nach dem Abitur wurde Wolfgang Bäuerle in den Krieg ge- schickt, kam schließlich in britische Gefangenschaf und kehr- te 1948 23-jährig aus Ägypten nach Deutschland zurück. Von einem „geradlinigen“, in die Bologna-Schablone ge- pressten Studenten können die Eltern heute erwarten, dass er in diesem Alter den Master hat oder kurz vor diesem Abschluss steht. Ganz anders Wolfgang Bäuerle, der in einem Lebenslauf von 1971 dazu festhält: „Ich habe als Werkstudent (Heim- erzieher) ... 17 Semester an den Universitäten Hamburg und Tübingen und an der Akademie für Wirtschaf und Politik in Hamburg studiert. Ein langes Studium war notwendig, weil der von mir erstrebte Beruf im Bereich von Sozialpädagogik und Sozialarbeit im Schnittpunkt mehrerer wissenschaflicher Disziplinen liegt. Mein Studium umfasste Erziehungswissen- schaf (abgeschlossen durch Promotion), Psychologie (ab- geschlossen durch Diplom-Prüfung), Soziologie und Jugend- recht (Promotionsprüfungsfächer), Philosophie und Kunst- geschichte ... Meine Lehrer waren die Professoren Spranger, Wenke, Bollnow (Pädagogik), Bondy, Kretschmer, Bürger- Prinz (Psychologie und Psychopathologie), Schelsky, Brink- mann, Kluth (Soziologie), Sieverts (Jugendrecht)“ (zitiert nach Kref 1998, 58). 2. Die Herausbildung seiner Grundposi- tionen Apropos „Werkstudent“: Die Heimerziehung (HE) war die Basis seiner Praxiserfahrungen, sie begleitete und prägte sein Den- ken und Handeln über alle Berufsstationen bis zum Vor- sitzenden der Internationalen Gesellschaf für Heimerziehung / Sektion der BRD (IGfH). Sie war Reflexionsgegenstand für viele   Prof. Dieter Kref war von 1990 bis 1997 Direktor des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main, kremie.nuernberg@t-online.de Hans-Georg Weigel war von 1998 bis 2014 Direktor des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main, www. teamundorgabe- ratung.org, weigel@tuob.org.  1 Dieter Kref und Hans-Georg Weigel sind die zweiten und dritten Nachfolger von Wolfgang Bäuerle in der Leitung des ISS-Frankfurt a.M.; genauer dazu vgl. Maelicke et al. 2020. 407 


































































































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