Page 22 - Nachrichtendienst Nr. 4/2022
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 IM FOKUS
NDV 4/2022
se“ durch das Verbot einer „rassistischen“ Benachteiligung ersetzen und dies durch eine Verpflichtung des Staates zur Abwehr rassistischer Diskriminierungen ergänzen wollen. Dabei unterscheiden sich beide Fraktions-Vorschläge wie- derum inhaltlich leicht voneinander.
▶ Die vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 21. Juni 2021 angehörten Expert/innen befürworteten überwiegend eine Ersetzung des Begriffs „Rasse“ durch „rassistische Benachteiligungen“. Andere Expert/innen sa- hen in den Änderungsvorschlägen allerdings auch blo-
ße Schönheitsreparaturen, weshalb der für den Diskrimi- nierungsschutz durchaus taugliche Begriff „Rasse“ jeden- falls so lange im Grundgesetz belassen werden solle, bis die Folgen einer Änderung absehbar seien. So hätten sich die Begriffe „Rassismus“ und „rassistisch“ weit von dem der „Rassendiskriminierung“ abgekoppelt und vom gesell- schaftlichen Konsens entfernt, weshalb erst einmal ihre Bedeutung genau zu klären sei (vgl. Deutscher Bundestag 2021).
▶ Die vorstehenden Stichworte machen deutlich, wie kom- plex sich die parlamentarische Debatte entwickelt hat.
Von daher bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen
sie führt. Zumindest zurzeit scheint allerdings die Formu- lierung „aus Gründen der Rasse“, die in den neueren Ge- setzen anstelle des Begriffs „Rasse“ verwendet wird, kei- ne Rolle zu spielen. Das erstaunt zumindest insoweit, als mit ihr eine Formulierung zur Verfügung steht, mit der in einfach-gesetzlichen Kontexten jedenfalls bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht wurden. Das lässt es je- denfalls als nicht unmöglich erscheinen, diese Formulie- rung auch zur Gestaltung des Grundgesetzes heranzuzie- hen. Zumindest der Verfasser dieser Zeilen würde das aus den oben genannten Gründen begrüßen. Womöglich er- hält diese Alternative dann mehr Aufmerksamkeit, wenn neben dem Grundgesetz auch die einfach-gesetzlichen Re- gelungen in den Blick genommen werden, in denen der Begriff „Rasse“ ebenfalls verwendet wird – bislang ist das wohl noch nicht erfolgt.
▶ In jedem Fall aber macht diese Debatte deutlich, dass auch in Zukunft in Gesetzen nicht darauf verzichtet wer- den kann und wird, einen gesetzlichen Schutz vor „ras- si(sti)schen“ Diskriminierungen dadurch zu gewährleisten, dass zur Markierung der unzulässigen Benachteiligungen Begriffe und Formulierungen Verwendung finden, die im Begriffsfeld von „Rasse“ angesiedelt sind. Offen ist ledig- lich, ob es sich um Benachteiligungen „wegen der Rasse“, „aus Gründen der Rasse“, „aus rassistischen Gründen“, um „rassistische Benachteiligungen“ oder um sonstige For- men einer „rassi(sti)schen“ Diskriminierung handelt. Um jede dieser Formulierungen kann und wird sicher leiden- schaftlich gerungen werden; ein anderes als das Begriffs- feld „Rasse“ wird dabei aber wohl keine Relevanz entfal- ten.
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Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass jedenfalls in Ge- setzestexten nicht auf die Verwendung von Begriffen und Formulierungen verzichtet werden kann und soll, die im Begriffsfeld „Rasse“ angesiedelt sind. Auf andere Weise ist das Ziel eines wirksamen Schutzes gegen „rassi(sti)sche“ Diskriminierungen nicht zu erreichen. Wie steht es dann aber mit juristischen Beiträgen, die sich auf entsprechen- de Gesetzestexte beziehen: Kann und soll (wenigstens)
in ihnen auf den Begriff „Rasse“ verzichtet werden, auch wenn sie sich auf Gesetze beziehen, in denen der Begriff (noch) verwendet wird? Der Verfasser dieser Zeilen hat das als Autor des Betrags über das AGG verneint und den Be- griff auch in seinem Beitrag verwendet. Er sah sich dazu verpflichtet, und zwar (auch) aus Respekt vor den bishe- rigen Entscheidungen des Gesetzgebers. Dies hat seinen Grund darin, dass Autor/innen juristischer Beiträge nicht befugt sind, den demokratisch legitimierten Gesetzge- ber einfach durch Austausch von Begriffen zu korrigie- ren, mit denen die Autor/innen als Gesetzesformulierun- gen nicht einverstanden sind. Dazu fehlt den Autor/innen schlicht die demokratische Legitimation. Darum wäre es fachlich wohl als „Stockfehler“ anzusehen, wenn Autor/ innen eine solche Korrektur der gegebenen Gesetzesla- ge (de lege lata) einfach vollstreckten, ohne sie zumin- dest zu problematisieren und als Vorschlag für eine künf- tige Gesetzesänderung (de lege ferenda) zu diskutieren. Denn selbstverständlich sind Autor/innen befugt, gesetz- liche Regelungen als nicht gelungen zu kritisieren und ihre Änderung zu fordern – das ist (auch) Aufgabe der Rechtswissenschaft. Wozu sie aber nicht befugt sind, ist einfach eine gegebene unerwünschte Gesetzesformulie- rung durch eine erwünschte zu ersetzen, ohne auf die ge- gebene Gesetzeslage hinzuweisen und ihre Korrektur als gewünschte Gesetzesänderung zu kennzeichnen – dazu fehlt der Rechtswissenschaft eben die demokratische Le- gitimation.
Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen und zu- gleich als Anregung für die mögliche Diskussion lässt sich festhalten, dass das Verbot einer „rassi(sti)schen“ Be- nachteiligung in Gesetzen belassen werden wird, gleich mit welchen Begriffen und Formulierungen aus dem Be- griffsfeld „Rasse“ dies gesetzlich erfolgt. Dabei favori- siert der Verfasser die Formulierung eines Verbots von Benachteiligungen „aus Gründen der Rasse“. Denn da- mit wird genau das geleistet, was Gesetzesformulierun- gen zu leisten haben, nämlich Klarheit zu schaffen und dies zugleich sprachlich so zu gestalten, dass nicht durch eine unkluge Formulierung der Haltung und dem Verhal- ten Vorschub geleistet wird, die verboten werden sollen. Dabei sind in jedem Fall Autor/innen juristischer Beiträ- ge dann, wenn sie gesetzlich verwendete Formulierun- gen aus dem Begriffsfeld „Rasse“ ablehnen, nicht befugt,
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